Erstellt von Ulla Arens

Ist der Mensch die Krone der Schöpfung?

Die Schöpfung ist dem Menschen anvertraut
Die Schöpfung ist dem Menschen anvertraut

Krone der Schöpfung? Das heißt sicher nicht herrschen, sondern viel mehr: sich kümmern, für Mensch und Natur dasein. | Foto: iStock

Nein, sagt Pater Werle und erklärt warum

Leben jetzt: Wie entstand die christliche Vorstellung vom Menschen als Krone der Schöpfung?
Pater Bernd Werle SVD:
In der Bibel kommt der Begriff „Krone der Schöpfung“ überhaupt nicht vor, weder im Alten noch im Neuen Testament. Vermutlich hat er sich aus den älteren Bibelübersetzungen der Schöpfungsgeschichte entwickelt, in denen es heißt: „Macht euch die Erde untertan.“ Dieses Untertan-Machen haben wir Christen verbunden mit dem relativ modernen Bild des absolutistischen Herrschers, der Menschen unterwirft, nach Belieben mit ihnen verfährt. Im Bild von der „Krone der Schöpfung“ wirkt die Philosophie des Aristoteles nach. Der entwickelte die Idee einer Stufenleiter, an dessen Spitze der Mensch oder, genauer, der Mann als vernunftbegabtes Wesen steht.

Lj: Was sagt die Bibel wirklich zu diesem Thema?
Werle:
Aus Bibelstudien wissen wir, dass wir es dort nicht mit einem absolutistischen, sondern mit einem altorientalischen Herrscherbild zu tun haben. Dem altorientalischen Herrscher ist es aufgetragen, sich achtsam um das Wohlergehen seiner Schutzbefohlenen zu kümmern. Er soll hegen statt herrschen, ähnlich wie ein Hirte, der liebevoll für seine Herde sorgt. Auch interessant: Im zweiten Schöpfungsbericht (Gen 2,4-3,24) ist nicht von „herrschen“ die Rede. Da wird der Mensch in den Garten Eden gesetzt, den er „bewahren“, also hegen und pflegen soll. Er gibt den Tieren Namen, kann sie rufen, ist also auf Augenhöhe mit ihnen. Überhaupt zeigt der zweite Schöpfungsbericht eine hohe Achtung vor allem, was Gott geschaffen hat.“

Lj: Wie sehen Sie die Verantwortung des Menschen gegenüber der Schöpfung?
Werle:
Wenn Gott den Menschen nach seinem Bild und Gleichnis geschaffen hat, bedeutet das auch, dass wir genauso liebend mit unserer Mitschöpfung umgehen sollen wie Gott selbst. Sollte es also eine Vorrangstellung des Menschen geben, dann ist es diese: dass wir um den liebenden Gott und Schöpfer wissen. Und dass wir als vernunftbegabte Wesen aus diesem Wissen die moralische Verantwortung übernehmen für unser Verhalten gegenüber der Mitschöpfung. Wir müssen begreifen, dass wir die einzigen Lebewesen sind, die die Natur zerstören können – und längst dabei sind, es zu tun. Und es ist unsere christlich-moralische Pflicht umzudenken und zu einem achtsamen, mütterlichen Hüter und Hirten der Natur zu werden. Letztlich kann uns also der Glaube davor schützen, die Welt zu zerstören.

Lj: Und wie steht die Kirche dazu?
Werle:
„In der Pastoralkonstitution „Gaudium et spes“ des II. Vatikanischen Konzils hieß es noch: „Es ist fast einmütige Auffassung der Gläubigen und der Nichtgläubigen, dass alles auf Erden auf den Menschen als seinen Mittel- und Höhepunkt hinzuordnen ist.“ Über dieses Denken ist die Kirche inzwischen hinaus. In der Umwelt- und Sozialenzyklika „Laudato si“ schreibt Papst Franziskus, dass die Sorge für die Menschen und der Schutz der Ökosysteme untrennbar miteinander verbunden sind. Da ist uns, beeinflusst auch durch wissenschaftliche Erkenntnisse, ein Umdenken in Richtung Mitgeschöpflichkeit vorgegeben. Bis das bei uns allen auch wirklich ankommt, wird es wohl noch Jahre dauern. Hoffentlich ist es dann nicht zu spät.

Mehr Fragen und Antworten finden Sie in unserer Zeitschrift.

Zur Rubrik

Pater Bernd Werle SVD
Pater Bernd Werle SVD

Bernd Werle ist Steyler Missionar und Pfarrvikar im Seelsorgebereich Sankt Augustin | Foto: Heinz Helf

Prof. Dr. Bernd Werle SVD:

  • 9. Juni 1955 geboren in Baumholder (Rheinland-Pfalz)
  • 1974 Abitur an der Missionsschule Sankt Wendel
  • 1980 Ewige Gelübde in der Gesellschaft des Göttlichen Wortes (Steyler Missionare)
  • 1981 Priesterweihe

Kontaktdaten

Prof. Dr. Bernd Werle SVD
Arnold-Janssen-Straße 30,
53757 Sankt Augustin
Tel.: 0 22 41 237 219
E-Mail: werle@steyler.eu

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