Leben jetzt: Wann hat das Leben Sie zur Verzweiflung gebracht?
Charly Hübner: In diesen abrupten Momenten, wenn sich sicher geglaubte Konstellationen ändern, die Eltern sterben, Freunde von heute auf morgen schwer erkranken, eine Liebe endet, in der man sich selber noch bestätigt fühlte. Dann stellt sich ein Gefühl von Ohnmacht ein, Verzweiflung, Ratlosigkeit. Der Vatertod zum Beispiel!
Lj: Wo hat er besonders gefehlt?
Hübner: In der Auseinandersetzung! Er hatte in vielem eine andere Sicht auf Situationen oder Dinge. Im Hinterfragen der anderen Haltung gab’s immer mehr Kick als in der seligen Einigkeit. Die Generation, die in den 1920er/30er-Jahren geboren wurde, hat in so jungen Jahren schon so viel erlebt. Wenn man es schafft, sie zum Reden zu kriegen, ist das unermesslich. Gerade in Zeiten wie diesen, wo permanente Panik zu herrschen scheint, ist es gut zu wissen: Es gab auch schon das Ende eines Zweiten Weltkrieges, wo gar nichts mehr stand, man über Monate gucken musste, wo die Kartoffeln und die Kohlen herkommen. Da war die Welt düsterer. Das Wissen um diese Erfahrungen relativiert.
Lj: Was hilft Ihnen in Zeiten der Trauer?
Hübner: Der Lauf der Dinge. Das Leben geht so oder so weiter, die Sonne geht auf und unter. Manchmal muss man dem Schmerzfeld einfach sagen, du hast jetzt alle Zeit der Welt, tob dich aus, aber ich gehe trotzdem mal zum Bäcker.
Lj: Wie gehen Sie mit dem Schmerz um?
Hübner: Ich öffne dem Schmerz Tür und Tor und lebe damit das Leben so, wie es dann gelebt werden will.
Lj: Was tröstet Sie?
Hübner: Manchmal ist Trost nur eine Hand auf der Schulter, manchmal braucht es Worte, weil ich eine bestimmte Sache nicht zu greifen bekomme. Was mir auch immer hilft, ist schreiben. Ich kann die Gedanken so laufen lassen, wie sie sich aufstellen. Erinnerungen können auch tröstend sein.
Lj: Wie trösten Sie?
Hübner: Präsenz, Worte, Tee, Kaffee, Wein! Gesten der Nähe oder des Verstehens. Oft hilft auch Ablenkung durch andere Problemlagen. Das ist doch komplett speziell von Mensch zu Mensch.
Lj: Können Sie in einer scheinbar verzweifelten Situation das Positive erkennen?
Hübner: Klar. Nichts ist nur einfach so, wie es scheint, es gibt immer einen anderen Blick aufs Ganze. Ob man den mag oder nicht, ist dann schon die nächste Frage.
Lj: Was bedeutet Liebe für Sie?
Hübner: Die Liebe ist am unfassbarsten. Man ist auf eine Art besessen von einem Gefühl, das einen hormonell permanent fordert. Es ist aber auch die Liebe zum Tun, zu Ideen. Absolute Hingabe. Wenn wir alles stehen und liegen lassen und uns komplett einer Sache hingeben, das ist für mich das, was Liebe meint.
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