Erstellt von Ulla Arens

Der Steyler Seemannsmissionar: Ein Zuhause fern der Heimat

Pater Ritchie SVD betritt ein Schiff am Hamburger Hafen
Am Hafen haben die Seeleute die Möglichkeit, für kurze Zeit der Enge aus Stahl zu entkommen

Sein Herz schlägt für die Seeleute. Mit ihnen hat Pater Ritchie SVD viele Gespräche geführt, er weiß, wie belastend das Leben an Bord ist | Foto: Jewgeni Roppel

Das Leben an Bord ist für die Seeleute hart. Viele Monate können sie ihre Heimat und ihre Familien nicht sehen. Die Mitarbeiter der katholischen Seemannsmission Stella Maris in Hamburg sind für sie da – als Gesprächspartner und Seelsorger. Einer von ihnen ist ein Steyler Missionar

Sicherheitsschuhe, Warnweste und Helm. So ausgerüstet macht sich Pater Ritchille Salinas SVD auf den Weg. Mal steigt der Steyler Missionar eine schwindelerregend hohe Treppe hi­nauf, mal balanciert er über eine schwankende Planke – um auf ein Schiff zu gelangen, das im Hamburger Hafen vor Anker gegangen ist. „Guten Tag, ich komme von der katholischen Seemannsmission Stella Maris“, stellt er sich dem Wachmann vor.

Ein Satz, der ihm meistens Zutritt verschafft. Für wenige Minuten, eine halbe Stunde oder auch länger. Je nachdem wie beschäftigt die Mannschaft ist. Denn die Zeit, die ein Schiff im Hafen verbringt, ist meist kurz und arbeitsintensiv. Diesmal hat Pater Ritchie, wie er genannt wird, Glück. Nachdem er sich ausgewiesen und seinen Namen notiert hat, darf er hinein in den Bauch des riesigen Containerschiffs. Eine kurze Begrüßung durch den Kapitän. Dann geht es mit einem Fahrstuhl in das Stockwerk, in dem sich die Messe befindet. Einige Seeleute sitzen beim Essen. Wie auf sehr vielen Schiffen besteht die Mannschaft größtenteils aus Filipinos. Nach vier Wochen auf dem Meer freuen sie sich über ein neues Gesicht. Vor allem, wenn es ein Gefühl von Heimat auslöst: Pater Richie stammt ebenfalls von den Philippinen.

Wie die Seemannsmission den Seeleuten hilft

Der 40-Jährige setzt sich zu den Männern und erklärt ihnen, was die Seemannsmission für sie tun kann: eine Fahrt in die Stadt oder zum Einkaufen organisieren, dringende Erledigungen übernehmen oder preiswerte SIM-Karten für Telefonate mit zu Hause vermitteln. Auf einer Hafenkarte zeigt er ihnen, wo das Haus von Stella Maris liegt, falls sie sich dorthin für ein paar ruhige Stunden zurückziehen oder auch mit jemandem reden wollen. Und wo sie den Club der evangelischen Seemannsmission finden. Dann reden sie über die Heimat, lachen miteinander. Pater Ritchie findet schnell Zugang zu Menschen, sie mögen seine lockere, nahbare Art.

Seit vier Jahren ist er bei Stella Maris. Und ansonsten für die philippinische Gemeinde in Hamburg zuständig. „Er ist ein positiv Verrückter mit großem Herzen“, so beschreibt ihn liebevoll Monica Döring, die Leiterin der katholischen Seemannsmission. „Eigentlich ist er nur einmal die Woche hier, kommt aber öfter, wenn wir ihn brauchen. Für uns ist das ein großes Glück.“

Morgens schauen sich die beiden die Liste der Schiffe an, die neu vor Anker liegen, und entscheiden, wer von ihnen welche besucht. „Wenn wir an Bord sind, machen wir den Menschen ein Gesprächsangebot, hören ihnen zu und versuchen, ihnen bei ihren Problemen zu helfen, etwa bei der Auszahlung ausstehender Heuer. Auch Krankenhausbesuche machen wir. Dabei spielt es keine Rolle, welcher Religion die Seeleute angehören“, so Monica Döring. Pater Ritchie ergänzt: „Die Mitarbeiter der Seemannsmission sind die Einzigen, die nichts von den Seeleuten wollen, sondern einfach für sie da sind.“ Und natürlich sind diese im Haus von Stella Maris immer willkommen: Sie sollen sich dort in der kurzen Zeit einfach wie zu Hause fühlen, weil ihr eigentliches Zuhause Tausende Kilometer weit weg ist.

Ein Gefängnis auf hoher See

Angebote, die die Seeleute zu schätzen wissen. Denn das Leben an Bord ist hart, trotz aller technischen Fortschritte. Viele Seeleute sprechen sogar von einem „Gefängnis auf See“ und meinen damit ihr Schiff. Weil sie nicht entkommen und nichts bestimmen können: nicht den Tagesablauf, nicht die Schlafenszeit, nicht das Essen. Und erst recht nicht, wen sie treffen – denn das sind immer die gleichen.

Ob sich die Seeleute an Bord wohlfühlen, hängt viel vom Kapitän ab. Wie überall gibt es auch da schwarze Schafe. Solche, die besonders streng sind, die die Männer auch finanziell ausbeuten oder der asiatischen Besatzung gegenüber rassistisch auftreten. Sich zu beschweren wäre riskant. Die Seeleute haben Zeitverträge, brauchen den nächsten Job. Keiner will auf einer schwarzen Liste landen. Doch selbst wenn sich alle gut verstehen, stillt das nicht die Sehnsucht nach Frau und Kindern. „Über ihre Familien reden sie am liebsten“, so Pater Ritchie. „Für sie nehmen sie die Arbeit auf dem Schiff an, denn sie ist für phi­lippinische Verhältnisse gut bezahlt.“ Der Preis dafür heißt Heimweh.

Weihnachten im Hafen

Nach diesem Schiffsbesuch setzt sich Pater Ritchie wieder hinter das Steuer des Kleinbusses von Stella Maris. Das nächste Schiff, das Pater Ritchie an diesem Tag besucht, kommt aus China. Der Kapitän begrüßt ihn freundlich, ein Offizier sitzt schlafend am Schreibtisch. Nein, sie hätten jetzt keine Zeit für ihn, alle seien beschäftigt, weil sie erst vor einigen Stunden angekommen sind, aber gleich wieder ablegen würden. Auch zu den nächsten beiden Schiffen fährt er umsonst – zu viel zu tun an Bord. Überall lässt er eine Tüte mit Süßigkeiten und Infoblättern zurück.

Also zurück zu Stella Maris, zu dem alten Schleusenwärterhäuschen aus Backstein, in dem die katholische Seemannsmission ihren Sitz hat. Es liegt ganz versteckt zwischen einer mehrspurigen Straße und einem Elbkanal. Monica Döring und er tauschen sich über ihre heutigen Erlebnisse aus. Dann besprechen sie das anstehende Weihnachtsfest. Wie immer werden die Mitarbeiter von Stella Maris an Heiligabend alle Schiffe besuchen und Geschenke für die Besatzung mitbringen. Pater Ritchie ist diesmal nicht dabei. Er soll Weihnachten als Priester auf einem Kreuzfahrtschiff verbringen – nicht für die zahlenden Gäste, sondern die Besatzung.

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Rosenkränze für Seeleute

Die katholische Seemannsmission "Stella Maris" sammelt Rosenkränze für Seeleute. Wenn Sie einen nicht genutzten Rosenkranz haben, freut sich die Seemannsmission über Spenden. Sie können dazu Ihre Gabe persönlich vorbeibringen oder in einem gepolsterten Umschlag an "Stella Maris" senden. Die Mission kann Ihnen auch einen Freiumschlag zuschicken.

Katholische Seemannsmission „Stella Maris“
Ellerholzweg 1a
D-20457 Hamburg

Tel.: +49 40 – 41 54 28 72
Web: stella-maris.de
E-Mail: info@stella-maris.de

„Ein Zuhause weit weg von zu Hause“

– das will Stella Maris für die Seeleute sein. Der lateinische Name bedeutet „Stern des Meeres“ und ist auch ein alter Beiname für Maria, die von vielen Seeleuten als Patronin verehrt wird. Gegründet wurde Stella Maris in England in den 20er-Jahren des vorigen Jahrhunderts. In Hamburg gibt es die katholische Seemanns­mission seit 1933, sie ist inzwischen weltweit vertreten.

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