Erstellt von Norbert Cuypers SVD

Einsiedler Norbert Cuypers über die Sehnsucht nach Gott

Eine Laterne im Schnee
Seine Klause ist für Pater Cuypers ein besonderer Ort - aber für viele andere Menschen auch

Der Mensch sehnt sich nach Gott - aber sehnt sich umgekehrt auch Gott nach den Menschen? | Foto: AdobeStock

Der Steyler Pater Norbert Cuypers lebt als Eremit in einer Einsiedelei am Rande eines Waldes im Südsauerland und betreuet einen kleinen Wallfahrtsort. Hier berichtet er vom Leben auf seiner Klause in den Wintermonaten, seinen Besuchern und Sehnsüchten

Auch in den dunklen Wintermonaten besuchen Menschen den Ort, an dem ich als Einsiedler lebe. Manche kommen, um ein Foto von der verschneiten Klause zu machen, andere interessieren sich für das Innere der Kapelle und zünden andächtig ein Teelicht an. Viele Besucher sagen mir, dass es hier schön sei – und sie haben meine vollste Zustimmung. Aber nicht alle spüren etwas von der Besonderheit dieses Platzes. Dabei bin ich davon überzeugt, dass dieser über 600 Jahre alte Wallfahrtsort die Menschen gerade dazu einladen möchte, mit der Sehnsucht nach dem Göttlichen in Berührung zu kommen. So ist es zumindest mir ergangen, als ich vor fünf Jahren auf der Suche nach einer passenden Klause war. Den Ort, wo ich jetzt lebe, kannte ich nur aus dem Internet. Als ich ihn zum ersten Mal besuchte, berührte er zutiefst meine innerste Sehnsucht nach einem intensiven Leben mit Gott in der Stille. Intuitiv wusste ich, dass ich hier leben möchte. Aber es stimmt wohl auch, was am Beginn eines Gedichtes von Elizabeth Barrett Browning steht: „Die Erde ist mit Himmel vollgepackt, und jeder gewöhnliche Busch brennt mit Gott. Aber nur der, der es sieht, zieht die Schuhe aus. Die anderen sitzen herum und pflücken Brombeeren.“

Sehnsucht umschreibt der Duden als „inniges, schmerzliches Verlangen“. Unzählige Lieder, im Schlager oft schnulzenhaft dahingesungen oder in der Oper anspruchsvoll in eine Arie verpackt, beschreiben genau dieses urmenschliche Gefühl. Auch Nelly Sachs wusste um dieses schmerzliche Verlangen nach Liebe, nach Glück, nach Freundschaft, wenn sie schreibt: „Alles beginnt mit der Sehnsucht, immer ist im Herzen Raum für mehr, für Schöneres und für Größeres.“

Aber die Lyrikerin wusste auch um das menschliche Herz, das Raum hat für immer noch Größeres, denn „… wo Sehnsucht sich erfüllt, dort bricht sie noch stärker auf.“

In meinem Theologiestudium hieß es in einer Vorlesung: „Homo desiderium dei“.

Genau übersetzt heißt das Zitat: „Der Mensch ist Sehnsucht nach Gott.“ Es stammt von Augustinus, dem großen theologischen Lehrer aus dem 4. Jahrhundert. Der ganze Mensch mit Leib und Seele, mit Herz und Verstand: Alles im Menschen sehnt sich nach Gott. Die Sehnsucht nach einem, der mich als Mensch ganz und gar annimmt, diese Sehnsucht kenne ich zu gut. Sie befällt mich gerade in meinen stillen Stunden am Vormittag immer wieder neu.

„Homo desiderium dei“. Das kann aber auch übersetzt werden mit: „Der Mensch ist die Sehnsucht Gottes.“ Was für eine völlig andere Perspektive! Gottes Sehnsucht nach dem Menschen ist so groß, dass er in Jesus an Weihnachten unsere menschliche Gestalt angenommen hat, um unter uns zu wohnen. Auch davon schreibt Nelly Sachs in ihrem Gedicht: „Fing nicht auch Deine Menschwerdung, Gott, mit dieser Sehnsucht nach dem Menschen an?“ Und sie resümiert: „So lass nun unsere Sehnsucht damit anfangen, Dich zu suchen, und lass sie damit enden, Dich gefunden zu haben.“

Die Sehnsucht nach Gott erspüren – und Gottes Sehnsucht nach mir Raum geben. Das will ich auch im neuen Jahr einüben.

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