Erstellt von Xenia Frenkel

Maria Muttergottes - eine Rebellin?

Rückansicht einer Marienstatue
Strahlendes Vorbild: Maria Muttergottes

Eine starke Frau, aufrecht, selbstbewusst, gebildet - das ist Maria. | Foto: shutterstock

Porträt einer Mutter, die in einzigartiger Weise Furchtlosigkeit und rebellischen Geist mit Herzensgüte und Demut in sich vereint

Die Gottesmutter Maria kennen wir aus der Weihnachtsgeschichte, später auch aus der Erzählung von Jesu Kreuzigung. Aber wer war sie, die seit Jahrtausenden Menschen inspiriert und ermutigt?

Wenn „die Dinge hier unten schlimm aussehen“, hoffen Menschen auf der ganzen Welt, dass du vorangehst, furchtlos und aufrecht wie Mirjam, die Schwester von Mose und Aaron, deren Namen du nicht zufällig trägst. In der Osternacht lesen wir ihr Lied aus dem Buch Exodus. Mirjam stimmt es, untermalt von Paukenschlägen, an, nachdem das Volk Israel trockenen Fußes in die Freiheit ausgezogen war. In diese Fußstapfen bist du, die Davidstochter, getreten. Du bist, wenn man das so sagen darf, die „Exodus-Frau“ des Neuen Bundes, der mit der feierlichen Selbstverpflichtung „Wir wollen alles tun, was der Herr gesagt hat“ erneuert wurde.

Eine Herkunft, die es in sich hat

Aber wie kann es sein, dass Gott ausgerechnet dich dafür bestimmt hat, ein einfaches, jüdisches Mädchen aus einem Nest in Galiläa? War es wegen deiner Herkunft, weil dein Kind, der Sohn Gottes, aus dem Haus Davids kommen musste? So steht es im Lukas-Evangelium, und diese Herkunft hat es in sich.

„Sie stammt aus Rebellenblut, die Davidstochter, aus Männern und Frauen, die oft mehr zu Macht, Lust und Rausch, Trieb und Rache gebetet haben als zu Jahwe“, schreibt Ida Frederike Görres, eine der führenden katholischen Intellektuellen des 20. Jahrhunderts und Mitglied der Würzburger Synode in einem 1923 veröffentlichten Aufsatz.

Maria, eine Frau aus „Rebellenblut“? Da zuckt man erst mal zusammen. Dennoch lässt sich das Rebellische, das dem Kind Maria in die Wiege gelegt wurde, unschwer an einem Leben ablesen, das von ungewöhnlichen Entscheidungen, außerordentlicher Willensstärke, großem Mut und stillem Widerstand erzählt.

Eine junge Frau hegt Umsturzpläne

Nicht allein, dass du die Aufgabe, die Gott für dich vorgesehen hat, aktiv annimmst, obwohl damit erhebliche soziale Risiken einhergehen, du ziehst dich auch nicht beschämt und kleinlaut zurück. In aller Öffentlichkeit machst du dich auf den Weg zu einer Verwandten, Elisabeth, der ebenfalls ein Sohn verheißen wurde. Und hier singst du in den Worten von Dietrich Bonhoeffer, „das leidenschaftlichste, wildeste, ja man möchte fast sagen revolutionärste Adventslied, das je gesungen wurde. Ein starkes, unerbittliches Lied von stürzenden Thronen und gedemütigten Herren dieser Welt, von Gottes Gewalt und von der Menschen Ohnmacht“.

Im Magnificat begegnet einem nicht die sanfte, zärtlich-verträumte Maria. Hier spricht die kämpferische, hingerissene, stolze Maria, und was sie sagt, deutet nichts weniger an als eine Umkehrung der Machtverhältnisse. Liest man diesen Text einzig mit dem Blick auf Demut und Mutterglück, verkürzt man seine politische Dimension und weltgeschichtliche Bedeutung. Das Magnificat wurde schließlich nicht ohne Grund zum zentralen Text der Befreiungstheologie.

Ein neuer Anfang

Als dir ein Engel mitteilt, dass du Gottes Sohn zur Welt bringen wirst, sagst du nicht, wie oft falsch übersetzt, kreuzbrav „ja“. Du setzt ein kraftvolles „fiat“ – „es werde“* –, und das, nachdem du erst mal nachgefragt hast. In dieser Hinsicht ist dein Sohn ganz nach dir geraten.

Hast du damals schon gewusst, dass du mit deinem „fiat“ einen neuen Anfang in der Menschheitsgeschichte setzt? Du sagst es, als aus deinem Kind ein junger Mann wird, der sich der Familie entfremdet und mit seinen Freunden he­rumzieht, der irritierende und aufrührerische Reden hält und sich mit einflussreichen Leuten anlegt. Du sagst es, als er fortgeht und sich in Gefahr bringt, und du sagst es unter seinem Kreuz. Liebe, das machst du sehr deutlich, ist immer rückgebunden an Freiheit und Wahrheit, sonst ist es keine Liebe. Eine Glucke warst du nie. Dafür bist du im Lauf der Zeit zum Inbegriff der liebenden Mutter geworden. In meinen Augen ganz zu Recht. Nicht etwa, weil du immer nur lieb und nett gewesen wärest, sondern weil du auf einzigartige Weise zart und hart, Furchtlosigkeit und Herzensgüte in dir vereinigst und mit dem unerschütterlichen Glauben verbindest, dass sich die Dinge zum Besseren wenden lassen. Es hat schon seinen Grund, warum sich Menschen in den schwärzesten Augenblicken des Daseins an dich wenden.

* Im griechischen Original des Lukasevangeliums transliteriert „genoito moi kata to rhêma so“ – „mir geschehe wie du gesagt hast“

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„An Mariä Verkündung hell und klar ist ein Segen für das ganze Jahr“

So lautet eine Bauernregel für den 25. März. Nach altem Volksglauben gehört dieses Datum zu den sogenannten Lostagen, die für das Wetter und damit für die Verrichtung verschiedener landwirtschaftlicher Arbeiten wie etwa den Beginn der Aussaat oder den Ausgang der Ernte bedeutsam waren. In vielen slawischen Ländern darf der Boden auch heute noch erst nach Mariä Verkündigung bearbeitet werden.

In England markierte sechs Jahrhunderte bis zum Jahr 1752 der 25. März den Beginn des neuen Jahres. Dass Mariä Verkündigung im englischen Sprachraum als Lady Day bezeichnet wird, verdeutlicht die hohe Stellung von Maria – weitab von „der Magd des Herrn“.

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