Wie die Steyler Menschen mit Behinderung in Brasilien helfen
Therapien können sich Menschen mit Behinderungen, die in den Slums von São Paulo leben, nicht leisten. Im Institut Agua Cristalina, mitgegründet von den Steyler Missionaren, bekommen sie trotzdem die wichtige Hydrotherapie. Umsonst – und mit großem Erfolg
Das Rehabilitationszentrum Institut Agua Cristalina (Instituto de Recuperacao e Natacao Agua Cristalina) wurde 1998 von Raymundo Pinto und seiner Frau, zusammen mit dem Steyler Missionar Klaus Keller SVD aus der Schweiz, gegründet. Dort erhalten Menschen mit Behinderungen Therapie im Wasser - auch Hydrotherapie genannt. Dazu inspiriert hat Raymondo seine Tochter.
Die Anfänge des Rehabilitationszentrums
Das Mädchen litt an Zerebralparese, war körperlich stark eingeschränkt. Ärzte verordneten ihr Hydrotherapie. Raymundo sah, wie wohl sich das Mädchen im Wasser fühlte, weil es ihr das Gewicht nahm, sie sich freier bewegen konnte. Staunend beobachtete er, dass sich der Zustand seiner Tochter deutlich besserte, ihre Schmerzen nachließen – Übungen im Schwimmbad sind besonders effektiv, weil sie Auftrieb und Wasserwiderstand nutzen. So können sie gelenkschonend die Muskelkraft erhöhen, den Muskeltonus korrigieren, die Beweglichkeit und motorische Koordination verbessern. Bewegungen, die an Land nicht möglich sind, sind es im Wasser.
Raymundo entschied, diese Therapie auch anderen Menschen mit Behinderungen zu ermöglichen, um ihre Lebensqualität nachhaltig zu verbessern. Mithilfe der Steyler Missionare und anderen Geldgebern baute er ganz im Süden São Paulos ein Schwimmbad. Er bildete sich in Hydrotherapie weiter, belegte Kurse, konzentrierte sich ganz auf die Behandlung seiner Patienten.
Die Therapie hilft vor allem armen Familien
Inzwischen ist seine zweite Tochter Kelly Pinto, 39, für die Kurse verantwortlich, die durch die Regierung, die Steyler und Spenden finanziert werden. Sie und weitere fünf Physiotherapeuten behandeln die rund 800 Patientinnen und Patienten. Die Mehrheit sind Kinder, eine Altersbeschränkung gibt es nicht. Die Therapie ist für die Betroffenen kostenlos, das ist einmalig in ganz Brasilien. Sie könnten auch nicht zahlen, denn die meisten Familien leben im „Jardin Angela“, einer der ärmsten Favelas der Stadt. „Die Angehörigen, die sie pflegen, sind nicht selten gezwungen, ihre Arbeit aufzugeben, um sie zu betreuen“, erzählt Kelly und fügt hinzu: „Etwa 90 Prozent der Kinder, die hier Hilfe bekommen, werden von alleinerziehenden Müttern großgezogen.“ Angesichts der Verantwortung sind die Väter längst geflüchtet.
Zweimal pro Woche kommen die Patientinnen und Patienten zur Wassertherapie, die etwa eine Dreiviertelstunde dauert. Wer es nicht mit öffentlichen Verkehrsmitteln schafft, wird von staatlichen Mini-Bussen gebracht. Die Atmosphäre im Haus ist familiär, fröhlich, jeder kennt sich, freut sich, dass die Monotonie des Alltags unterbrochen wird.
Auch die Pflegepersonen werden therapiert
Das Besondere an Agua Cristalina: Die Angehörigen werden mit einbezogen. Die Profis zeigen ihnen die Übungen, sodass sie diese mit ihrem Kind oder Partner im Wasser ausführen können. „Das stärkt die Beziehung“, so Kelly Pinto. „Und es macht es auch den Patienten leichter, sich an das Wasser zu gewöhnen und zu entspannen.“ Um die Angehörigen kümmert sich Agua Cristalina ebenfalls. Sie bekommen selber Therapiestunden, denn es ist körperlich enorm anstrengend, einen Menschen mit schwerer Behinderung zu pflegen.
Und viele sind sich einig: „Es ist der Höhepunkt meiner Woche.“
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Stadt der Gegensätze São Paulo …
- ist mit über 12 Millionen Einwohnern die größte Stadt Brasiliens und die zweitgrößte der Südhalbkugel.
- ist, anders als Rio de Janeiro, kein touristisches Zentrum.
- ist der größte industrielle Ballungsraum Lateinamerikas.
- ist ein Symbol für Ungleichheit. Es gibt extremen Reichtum, während die Ärmsten in Favelas leben oder auf den Straßen sterben.
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