Erstellt von Michael Kreuzer SVD

Pater Kreuzer erklärt die Bibel: Alles hat seine Stunde. Was bedeutet das?

Alles hat seine Stunde
Aus dem Buch Kohelet: Alles hat seine Stunde

„Alles hat seine Zeit" - Was ist mit diesem bekannten Zitat aus dem Buch Kohelet eigentlich gemeint? Pater Kreuzer erklärt es uns | Foto: mila young/unsplash

Nicht immer erschließt sich der Inhalt der Bibel beim ersten Lesen. Darum haben wir den Steyler Pater Michael Kreuzer gebeten, sie uns zu erklären.

Alles hat seine Stunde.
Für jedes Geschehen unter dem Himmel gibt es eine bestimmte Zeit:
eine Zeit zum Gebären und eine Zeit zum Sterben,
eine Zeit zum Pflanzen und eine Zeit zum Ausreißen der Pflanzen;
eine Zeit zum Töten und eine Zeit zum Heilen,
eine Zeit zum Niederreißen und eine Zeit zum Bauen;
eine Zeit zum Weinen und eine Zeit zum Lachen,
eine Zeit für die Klage und eine Zeit für den Tanz;
eine Zeit zum Steinewerfen und eine Zeit zum Steinesammeln,
eine Zeit zum Umarmen und eine Zeit, die Umarmung zu lösen;
eine Zeit zum Suchen und eine Zeit zum Verlieren,
eine Zeit zum Behalten und eine Zeit zum Wegwerfen;
eine Zeit zum Zerreißen und eine Zeit zum Zusammennähen,
eine Zeit zum Schweigen und eine Zeit zum Reden;
eine Zeit zum Lieben und eine Zeit zum Hassen,
eine Zeit für den Krieg und eine Zeit für den Frieden.
(Koh 3,1-8)

Wir sagen: „Alles zu seiner Zeit! Alles zur rechten Zeit!“ Zuerst ist das der Natur abgeschaut: Die Bäume tragen Blüte und Frucht zu ihrer Zeit, die Tiere kennen ihre Paarungs- und Wurfzeit, die Zugvögel ihre Zugzeit. Dann ist das übertragbar auf die Lebenswelt des Menschen: Aussaat und Ernte haben ihre Zeit. Es gibt eine Ordnung in der Natur, nach der alles, was geschieht, in einer „zukommenden Zeit“ geschieht.

Soll menschliches Handeln gelingen, dann muss es zur „passenden Zeit“ geschehen. Der Mensch muss sein Handeln dem vorgegebenen Rhythmus der Natur anpassen. Das Zeit-Gedicht Kohelets geht einen Schritt weiter. Es gibt auch einen Rhythmus der Zeit, der nicht naturgegeben und trotzdem vorgegeben ist und dem sich der Mensch anpassen und einfügen muss. Er ist weder Herr noch Sklave dieses „Waltens der Zeit“. Innerhalb dieser Vorgabe ist Spielraum. Das Leben eines jeden Menschen ist durch ein ständiges Auf und Ab charakterisiert, durch einen ständigen Wechsel von „guten“ und „bösen Tagen“, von Gesundheit und Krankheit, von Zeiten des Glücks und des Unglücks. Das Leben hat Sonnen- und Schattenseiten, und jedem Menschen ist beides beschieden. Wann welche Zeit angesagt ist, unterliegt nicht seinem Wollen und Planen. Mit seinem Zeit-Gedicht will Kohelet sagen: Alle Zeiten haben ihre Berechtigung, und selbst die Zeiten der scheinbaren Sinnlosigkeit können eine nachträgliche Sinngebung erfahren.

Wir müssen lernen, die „guten“ wie die „bösen Tage“ anzunehmen, jede Bedingung unseres Unterwegsseins – das Schlechtwetter genauso wie das Schönwetter – zu bejahen und zu begrüßen, ja, willkommen zu heißen. Abgesehen davon, dass es uns ohnehin nichts nutzt zu rebellieren und aufzubegehren, das Leben ist kein Spaziergang von einer Annehmlichkeit zur anderen. Es ist eine Kette von Problemen, auf die wir die passende Antwort finden müssen. So wachsen wir hinein in die Lebensweise Jesu, alle Tage unseres Lebens in Liebe zu gestalten. Und so werden wir einen Sinn erfahren, der selbst noch allen Widersinn umgreift.

Mehr kluge Texte der Steyler lesen Sie in unserer Zeitschrift.

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