Pilgern im Heiligen Jahr: Begegnungen in Rom
Im Heiligen Jahr werden Rom und der Vatikan von besonders vielen Menschen besucht. Die erste Station für viele Reisende aus Deutschland ist das Pilgerzentrum, das von Christian Böck geleitet wird. Im Interview erzählt uns der Pfarrer aus dem Bistum Passau über seine Arbeit und Begegnungen mit den Pilgern
Im Heiligen Jahr führt der Weg vieler Pilger zum Vatikan oft über die Via del Banco di Santo Spirito – eine schmale Straße im Herzen Roms, keine 300 Meter lang, gesäumt von prachtvollen Renaissancebauten. Am Ende der Gasse öffnet sich der Blick auf ein eindrucksvolles Bauwerk der Antike: die 1891 Jahre alte Engelsbrücke über den Tiber. Barocke Engelsfiguren mit Kreuz, Lanze oder Dornenkrone säumen den Weg. Die Brücke ist für Millionen Pilger aus aller Welt ein symbolischer Zugang zum Ziel ihrer Reise: Geradeaus zur Engelsburg oder über die prächtige Via della Conciliazione direkt zum Petersdom und dem Vatikan – dem geistlichen Zentrum des Heiligen Jahres.
Aber für einen Moment wollen wir noch in der Via del Banco di Santo Spirito verweilen. Dort auf der mit Kopfsteinen gepflasterten historischen Straße liegt seit einigen Jahren das Centro Pastorale Pellegrini di Lingua Tedesca – das deutschsprachige Pilgerzentrum, das mit seiner schlichten Glastür viel moderner wirkt als die barocke Kirche Chiesa dei Santi Celso e Giuliano gegenüber. Geleitet wird die Einrichtung seit 2023 von Pfarrer Christian Böck. Gemeinsam mit drei Mitarbeiterinnen hilft er Gläubigen, Karten für Messen und Audienzen beim Papst zu ergattern, gibt Tipps für Restaurants und Sehenswürdigkeiten und bleibt vor allem eins: Seelsorger. In diesem Jahr ist der 54-Jährige besonders gefragt. Seitdem Papst Franziskus das Heilige Jahr unter dem Motto „Pilger der Hoffnung“ eröffnet hat, bilden sich vor dem Pilgerzentrum in der Via del Banco di Santo Spirito Schlangen mit Gläubigen aus Deutschland.
Pfarrer Christian Böck vor dem deutschsprachigen Pilgerzentrum in Rom
Hereinspaziert! Im deutschsprachigen Pilgerzentrum hat Pfarrer Christian Böck für alle Menschen ein offenes Ohr: Seien es die Touristen, die nach dem Weg fragen, oder die Pilger, die von ihrer Wallfahrt erzählen wollen | Foto: Giuliano del Gatto‚Leben jetzt‘: Mit welcher Motivation kommen die Pilger im Heiligen Jahr nach Rom?
Christian Böck: Vielen Pilgern ist es wichtig, durch die heiligen Pforten der großen Kirchen zu gehen. Die sind sonst ja immer zu, darum ist das etwas ganz Besonderes. Sie sind immerhin im Heiligen Jahr in Rom! Vor allem die Pforte in St. Peter ist ihnen wichtig. Für die vier Pforten kann man auf der eigens eingerichteten Pilger-App des Vatikans Termine buchen. Für St. Peter ist das sehr ratsam, weil dort der größte Ansturm ist. Bei den anderen Pforten kann man auch ohne Anmeldung durchgehen – außer natürlich die Pforte im Gefängnis Rebibbia. Das ist eine symbolische Pforte mit der Botschaft, dass bei Gott alle befreit sind.
Lj: Mit was für Anliegen kommen die Menschen zu Ihnen?
Böck: Da kann es um Karten für die wöchentliche Generalaudienz mit dem Heiligen Vater, Bustickets oder den besten Weg zu einer Kirche oder einem Museum gehen. Aber die Menschen merken auch: Hier ist jemand, der ist ansprechbar. Dann wird ein Informationsgespräch schnell zu einem Seelsorgegespräch. Die Pilger haben sich mit all ihren Anliegen, manchmal gar Lebensfragen, auf den Weg gemacht. Wenn jemand mit seinen Sorgen kommt, ist er froh, sich austauschen zu können – da führe ich hier auch schon mal Beichtgespräche. Hier herrscht Offenheit, denn wir sind eine Anlaufstelle für die Menschen.
Lj: Vertrauen sich die Menschen Ihnen anders an?
Böck: Ja, da sind etwa diejenigen, die von der Kirche enttäuscht sind, das aber nicht wahrhaben wollen. Sie wollen ihr Leben mit dem Glauben gestalten, aber es gibt markante Brüche, die die Kirche nicht gutheißt. Darunter leiden viele, etwa geschiedene Wiederverheiratete. Sie erzählen mir, dass sie einen neuen Lebenspartner hätten, es ihnen besser gehe und sie glücklicher seien. Aber sie dürfen nicht mehr zur Kommunion gehen. Papst Franziskus hat uns mit auf den Weg gegeben, dass wir viel mehr auf Menschen mit Lebensbrüchen eingehen müssen. Wir können ihnen sagen, dass Gott barmherzig ist und sie immer einen neuen Anfang wagen können. Das ist vielen Menschen gar nicht bewusst.
Per Roma non basta una vita, besagt ein Sprichwort: Für Rom reicht ein ganzes Leben nicht. Die Ewige Stadt steht laut Legende seit dem 21. April 753 v. Chr., sie ist voller Geschichte, Architektur, Kunst, Kultur und Lebensfreude. Sie riecht nach frittierten Artischocken: Carciofi alla giudia, den Reisbällchen Supplì oder Pasta alla Carbonara. In 2778 Jahren Geschichte haben die Bewohner der Stadt köstliche Gerichte kreiert, Monumente aus Stein hinterlassen und große und kleine Kunstwerke geschaffen. Wo also anfangen, wo aufhören?
Lj: Haben Sie einen Lieblingsort in Rom?
Böck: Ich bin sehr gerne auf dem Hügel Aventin, da ist das Dominikanerkloster Santa Sabina, weiter vorne ist die Malteser-Villa mit dem berühmten Blick durchs Schlüsselloch auf den Petersdom und Sant’Anselmo, das Benediktinerkloster sowie der Orangengarten. Außerdem bin ich gerne etwas außerhalb der Stadt, in der Gegend der Via Appia, bei den Katakomben San Callisto. Da gibt es einen riesigen Park, „Parco della Caffarella“. Sonntagsnachmittags ist die Via Appia Antica für den Verkehr gesperrt, sodass ich mit dem Fahrrad über das alte Pflaster fahren kann.
Lj: Was bedeutet Pilgern für Sie?
Böck: Pilgern ist für mich nicht der äußere Vorgang, bei dem ich irgendwohin gehe, sondern pilgern heißt vor allem, sich innerlich auf den Weg zu machen. Das zeigt die lateinische Vokabel „pellegrinare“, auf die das Wort „pilgern“ zurückgeht. Es kann zwei Bedeutungen haben: Zum einen „über den Acker gehen“, den Aufbruch wagen und natürlich: in mir einen Aufbruch wagen. Oder es heißt, über Grenzen zu gehen und den Horizont zu erweitern, um so Neues kennenzulernen. Pilgern heißt dann aufbrechen. Papst Franziskus hat das einmal sehr schön ausgedrückt: Pilgern ist immer ein Wagnis, ein Risiko. Und Pilgern ist immer mit einem Ziel verbunden. Es ist Risiko, es ist Mühe, es ist Ziel.
Was ist eigentlich ein Heiliges Jahr?
Für gewöhnlich findet alle 25 Jahre ein Heiliges Jahr statt, dann sind die Heiligen Pforten der Patriarchalbasiliken – Petersdom, Lateranbasilika, Sankt Paul vor den Mauern und Santa Maria Maggiore – offen und die Kirche gewährt denjenigen einen vollkommenen Ablass zeitlicher Sünden, die vorher gebeichtet, gebetet und sich vorgenommen haben, Gutes zu tun. Für die Vatikanischen Museen oder das Kolosseum sollten Pilger vorab Termine buchen. Das nächste Heilige Jahr ist 2033: 2000 Jahre nach dem Tod Jesu Christi.
Wissenswertes zum Pilgerzentrum
Im Zentrum gibt es kostenfreie Tickets zu Messen und Generalaudienzen mit dem Papst, Tipps zum Verkehr, kostengünstigen Unterkünften, guten Restaurants und Infos zur deutschsprachigen Gemeinde Santa Maria dell’Anima sowie dem Campo Santo Teutonico.
Das Pilgerzentrum befindet sich hier:
Via del Banco di Santa Spirito 56,
00186 Roma, Italia
Tel.: +39 06 6897 197 oder +39 06 6897 198
Mail: info@pilgerzentrum.net
www.pilgerzentrum.net