'Leben jetzt': Manche Menschen reden vom Wetter, manche vom Klima. Wie hängt beides miteinander zusammen?
Özden Terli: Die Veränderungen im Klimasystem führen zu Wetterextremen, also zu Überflutungen, Dürren, Starkniederschlägen und Überschwemmungen. Sprich: Die physikalischen Veränderungen des Klimas haben Auswirkungen auf das Wetter.
Lj: Und warum verändert sich das Klima?
Terli: Das Verbrennen von Kohle, Öl und Gas zerstört den natürlichen Kohlenstoffkreislauf unseres Erdsystems. Das System kann nicht mehr die gesamte Menge Kohlenstoff aufnehmen. Dieses zusätzliche Treibhausgas blockiert einen Teil der Wärme, die auf dem Planeten verbleibt und zur Erhitzung unseres Planeten führt. Das wiederum führt dazu, dass die Gletscher schmelzen und die Arktis epochale Eisverluste erleidet. Die Ozeane heizen sich immer mehr auf, die Luftströme in der oberen Atmosphäre verändern sich. Überschwemmungen, Dürren und andere Extremwetterereignisse werden durch die Erderhitzung verstärkt.
Lj: Welche Gefahren kommen in den nächsten Jahren auf uns zu?
Terli: Weltweit wird es zu immer extremeren Wetterereignissen kommen, die Spirale wird sich noch schneller drehen. Wir leben – nicht nur wirtschaftlich – in einer globalisierten Welt. Zu meinen, dass Extremwetterereignisse in der Südsee oder in Brasilien nichts mit uns zu tun haben, ist sehr kurzsichtig gedacht. Es gilt, das gesamte System zu betrachten und zu stabilisieren. Mit einem Teil der Klimakrise werden wir leben müssen. Aber damit das Ganze nicht in einer Katastrophe endet, müssen wir Klimaschutz betreiben.
Lj: Tun wir das denn nicht schon längst?
Nein, dafür verbrennen wir immer noch viel zu viel Kohle, Öl und Gas.
Lj: Was passiert, wenn wir es nicht schaffen, die Erderwärmung zu begrenzen?
Terli: Wenn der Körper überhitzt, hält er das eine Weile aus, dann kommt es zum Exitus. Ähnlich verhält es sich mit unserem Planeten. Es werden wohl nicht alle Lebensformen aussterben, Bakterien und irgendwelche Tierchen werden überleben. Aber es geht ja darum, dass wir, die Menschheit, überleben.
Lj: Sind Sie denn trotz allem zuversichtlich?
Terli: Ich bin Realist und versuche, die Realität abzubilden. Zum einen hat uns die Wissenschaft bereits die Lösungswege aufgezeigt. Zum anderen glaube ich, dass die Jüngeren eine Veränderung herbeiführen werden.
Lj: Bis die „Fridays for Future“-Generation die Richtlinien der Politik bestimmt, wird es aber noch dauern. Zwanzig, dreißig Jahre ...
Terli: ... und genau das ist ein weiteres Problem. Diese Zeit haben wir nicht mehr. Ob wir die Pariser Klimaziele erreichen, ist nach wie vor nicht absehbar. Ich kann mir nicht vorstellen, dass die Kinder, die jetzt noch in der Grundschule sind, das später, wenn sie älter sind, akzeptieren werden. Mit jedem Jahr, das vergeht, verschärft sich die Klimakrise.
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