Leben jetzt: Was bedeutet Gerechtigkeit für Sie?
Bijan Moini: Die Achtung der Freiheit und eine gleichberechtigte Behandlung. Diese beiden Wesensmerkmale sind die Säulen für eine gerechte Rechtsprechung, ein gerechtes Recht im Allgemeinen.
Lj: Sie empfinden unsere deutschsprachige Gesellschaft als ungerecht. Warum?
Moini: Ich nenne nur mal zwei Beispiele: Frauen verdienen bei gleicher Tätigkeit immer noch weniger als Männer. Und: Ärmere Menschen haben schlechtere Karten vor Gericht, besonders bei Strafverfahren. Sie können sich nicht so gut verteidigen, da sie sich keinen wirklich guten Strafverteidiger leisten können oder vielleicht gar nicht wissen, wie sie sich wehren sollen.
Lj: Warum werden solche Umstände nicht verbessert?
Moini: Für solche Änderungen braucht es in der Regel demokratische Mehrheiten. Je nachdem, welche politische Partei man fragt, ist der Blick auf diese Missstände leider nicht immer derselbe. Hier würde mehr bürgerliches Engagement helfen. Wenn man einer Partei vermitteln kann, dass ein bestimmtes Thema für viele ihrer Wähler relevant ist, kann man Druck aufbauen, Lösungen auf parlamentarischer Ebene zu finden. Da aber die Legislaturperioden mit vier Jahren eher kurz sind, haben unsere Politiker kaum einen Anreiz, langfristig Notwendiges zu tun, was kurzfristig schmerzt. Diese Unfähigkeit, mit langfristigen Herausforderungen umzugehen, ärgert mich sehr.
Lj: Wie könnte man das ändern?
Moini: Vielleicht durch ein Anreizsystem. Etwa in Form einer Kommission, die nach 20 Jahren beurteilt, ob bestimmte politische Entscheidungen richtig waren, und diese in irgendeiner Form honoriert.
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