Erstellt von Eva Fischer

Der Dialekt lebt: Baseltüütsch für Anfänger

Kurse zum Dialekt lernen sind gefragt
Kurse zum Dialekt lernen sind gefragt

Dialekt lernen und sprechen heißt, kulturelle Vielfalt bewahren | Foto: unsplash

Kurse zum Dialekt lernen gibt es zuhauf. Doch kann man ihn so lernen wie eine Fremdsprache?

300 Euro kostet ein Gruppenkurs mit 40 Stunden und sechs Teilnehmern in Anna Hladnik-Aeschbachers Sprachschule. Seit 1994 unterrichtet die Inhaberin der „Schweizer Schule“ Berner, Basler und Zürcher Dialekt, mittlerweile auch via Skype, WhatsApp und Google Meet. „Bis heute belächeln viele den ernstgemeinten Unterricht“, sagt sie. Doch der Erfolg spricht für sich – bei ihr lernt nicht nur, wer eine Einladung zu einen Bewerbungsgespräch ergattert hat, sondern auch wer beim Familienfest mit dem neuen Partner mithalten will.

Dialekt wird mit Verlässlichkeit und Originalität assoziiert. So überrascht es nicht, dass auch viele junge Menschen ihn lernen möchten: Im Anfängerkurs an der „Akademie för uns Kölsche Sproch“ sind 70 Prozent der Schülerinnen und Schüler zwischen 24 und 32 Jahren alt.

Die Seminarkoordinatorin Ruth Wolfram freut sich, dass zu ihr nicht nur kommt, wer Karnevalslieder mitsingen oder einen Gutschein geschenkt bekommen hat. Sondern auch Menschen, die verstanden haben, dass regionales Sprechen Nähe schafft.

In Bayern und Österreich ist Dialekt vielfach noch Alltagssprache

Besonders über die Sprache geben wir kulturelles Wissen weiter und wenn wir uns einer Region verbunden fühlen, ist das ein ganz anderes Lebensgefühl. In großen Teilen des deutschen Sprachraums, wo über Jahrhunderte kleine Fürsten- und Herzogtümer die Macht ausübten, spiegelt sich die sprachliche Zerrissenheit noch heute in der Vielfalt an Dialekten wider.

Im Gegensatz zum südwestdeutschen Raum ist dies beispielsweise in Bayern und Österreich anders und so ist Dialekt lernen für Menschen mit nicht deutscher Muttersprache, die hier aufgewachsen sind, kein großes Thema.

Inzwischen gibt es, auch dank politischer Bemühungen, viel Fachliteratur. Für zahlreiche Mundarten existieren mittlerweile Grammatiken und Wörterbücher – niemand ist mehr allein auf mündliche Überlieferung angewiesen. Wie bei jeder Fremdsprache gilt natürlich auch hier: Den größten Lernerfolg erzielt, wer den Dialekt konsequent im Alltag spricht. Doch manches Insider-Wissen wird wohl trotz aller Büffelei den Muttersprachlern vorbehalten bleiben.

 

Dialekte schützen, aber wie?

An den Dialekten lässt sich Sprachgeschichte ablesen.Und damit dies so bleibt, brauchen die Dialektforscher unsere Unterstützung. In ihrem Citizen Science-Projekt ruft die Universität Marburg dazu auf, sich als Bürgerwissenschaftler*innen an einer wichtigen Aufgabe der Dialektologie zu beteiligen:

Mit den Wenkerbögen wurden in den Jahren 1876 bis 1887 die Lokaldialekte des Deutschen erhoben. Georg Wenker verschickte Fragebögen an Schulen, um sie dort von lokalen Gewährspersonen ausfüllen zu lassen. Insgesamt sind 57.000 Wenkerbögen digitalisiert und im Internet verfügbar.

Allerdings sind die meisten Bögen in deutscher Kurrent geschrieben. Um die wertvollen historischen Sprachzeugnisse nutzen und auswerten zu können, müssen die Buchstaben der Kurrentschrift entziffert und über die Computertastatur eingegeben werden.

Ob Sie nur einen einzigen Bogen - vielleicht aus Ihrem Heimatort - oder mehrere übertragen, entscheiden Sie selbst.

Noch mehr Informationen

Sie möchten gerne noch mehr zum Thema Dialekte erfahren? Wir haben ein paar Links für Sie zusammengestellt:

  • Von den historischen Dialekten zu den modernen Regionalsprachen: Über die Forschungsplattform Regionalsprache.de wird die Sprachdynamik der letzten 150 Jahre erforschbar. Im Rahmen des Projekts werden Sprachkarten und Tonaufnahmen digitalisiert. Über aktuelle Spracherhebungen wird erforscht, wie die regionale Sprache zwischen Dialekt und Standardsprache heute aussieht.
  • Hessen ist ein Knotenpunkt der sprachlichen Großräume des Deutschen. Das macht die sprachliche Situation so besonders. Im Norden gibt es niederdeutsche Dialekte (West- und Ostfälisch), südlich davon das hochdeutsche Gebiet mit Nordhessisch zwischen Kassel und Alsfeld, Zentralhessisch zwischen Marburg und Frankfurt, Osthessisch um Fulda und Rheinfränkisch um Darmstadt. Östlich von Eschwege finden sich sogar ostmitteldeutsche Dialekte (Thüringisch).
  • Welchen Beitrag leistet die Dialektologie für die Forensik? Was ist die Mindener Buttjersprache? Wie bewusst sind Dialektstereotype? Diesen und anderen Fragen widmen sich die Beiträge des Wissenschaftsblogs Sprachspuren.

Weitere spannende Themen und ein Interview mit der Marburger Sprachwissenschaftlerin Prof. Hanna Fischer finden Sie in unserer Zeitschrift.

    Zur Rubrik

    Kleine Zeittafel

    500 - 800

    Erste Dialekte grenzen sich ab

    1450

    Gutenberg erfindet den Buchdruck mit beweglichen Lettern

    Ab 1600

    Die deutsche Standardsprache (Neuhochdeutsch) entwickelt sich

    Um 1720

    Neben den Dialekten entsteht eine zweite gesprochene Variante

    1898

    Einführung der „Deutschen Bühnenaussprache“ gemäß Aussprachewörterbuch von Theodor Siebs, das sich weitgehend an den norddeutschen Dialekten orientierte

    Um 1900

    Dialekte sind die normale Form der Kommunikation im Alltag der Menschen

    1992

    Die EU-Charta zum Schutz von Regional- und Minderheitensprachen tritt in Kraft

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