Leben jetzt: Sie haben die ersten 26 Jahre Ihres Lebens in Indonesien verbracht und die zweiten 26 in Deutschland. Können Sie sich daran erinnern, was Ihre Landsleute Ihnen einst über Deutschland erzählt haben?
Pater Devis: Eine konkrete Erinnerung habe ich noch, sie stammt aus meiner Zeit im Priesterseminar. Als sich herumsprach, dass ich nach Deutschland gehen würde, nahm mich mein Professor zur Seite und sagte, ich müsste dort unbedingt auf Pünktlichkeit und Sauberkeit achten.
Lj: Ein Vorurteil?
Pater Devis: Ich glaube nicht. Er hatte Deutschland-Erfahrung. Aber er war Indonesier, und wir nehmen beispielsweise Pünktlichkeit nicht so wichtig. In Indonesien bekommt man eine Einladung zu einer Hochzeit oft erst am Vortag, und dann entscheidet man spontan, ob man dort irgendwann vorbeischaut oder eben nicht. In Deutschland liegt die Karte drei bis vier Monate vorher in der Post, auf der Einladung steht immer eine Uhrzeit – und außerdem soll man zu- oder absagen.
Lj: Pünktlichkeit spielt also bei uns eine große Rolle?
Pater Devis: Ein offizieller Termin wie eine Trauung oder ein Gottesdienst – da sind die Deutschen immer pünktlich. In Indonesien ist das anders. Dort geht niemand davon aus, dass ein Gast auch wirklich zur vereinbarten Zeit vor der Tür steht.
Lj: Ein anderes Stichwort, das man mit uns Deutschen verbindet, ist Ordnung. Welche Erfahrungen haben Sie damit gemacht?
Pater Devis: Meine Mutter war sehr sorgfältig und ordentlich, deshalb war das nichts, was ich erst in Deutschland kennengelernt habe. Aber die Deutschen haben eine ganz bestimmte Ausprägung von Ordnung, die ich aus Indonesien so nicht kenne: Sie führen einen Terminkalender. Egal, ob als Konzernchef oder als Mutter. Und ich habe gelernt, dass man in Deutschland einen einmal vereinbarten Termin nur aus sehr guten Gründen absagen kann.
Lj: Sind wir eigentlich gastfreundlich? Was meinen Sie?
Pater Devis: Ja, aber auf eine spezielle Art. Immer, wenn ich irgendwo neu war, haben mir die Deutschen all die Sehenswürdigkeiten des Ortes gezeigt, mir ausführlich von der Kultur und der Geschichte ihrer Stadt erzählt. Die Deutschen nehmen Bildung und das Gebildet-Sein wichtig. In Indonesien würde man mir nicht die Stadt zeigen, sondern die Familie.
Lj: Was ist mit Freundschaften?
Pater Devis: Auch wenn man umzieht, bleiben Freundschaften bestehen. Ich selber habe Oberschwaben ja schon vor 11 Jahren verlassen – aber ich habe immer noch Kontakt zu vielen Menschen dort. Neulich rief mich ein ehemaliger Ministrant an, der erst in der dritten Klasse war, als ich damals ging. Er fragte, ob ich ihn trauen würde.
Lj: Wie schön.
Pater Devis: Aber was wirklich bemerkenswert daran ist: Es war schon die fünfte Anfrage aus Oberschwaben in diesem Jahr. In Deutschland ist Freundschaft wirklich ein Langzeitprojekt.
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