Erstellt von Ulla Arens

Die Steyler Schule in Indien

Fröhliche Kinder in Schuluniformen winken
Die Kinder lernen nicht nur lesen und schreiben, sondern auch christliche Werte und Selbstbewusstsein

Die Schule, die von Pater Eugene geleitet wird, gehört zu den allerbesten der Region. Trotzdem sind die Gebühren so niedrig, dass sich auch die Eltern in den Armenvierteln leisten können, ihre Kinder dorthin zu schicken. | Foto: Suresh Naganathan

Wer auf die St.-Mary-Schule im indischen Zaheerabad geht, hat Glück. Die Schule, die nur Kinder aus den Armenvierteln besuchen, wird von einem begeisterten Pädagogen geleitet – einem Steyler Missionar

Pater Eugene Manickam SVD hat viele Berufe. Er ist nicht nur Leiter der St. Mary’s High School in Zaheerabad, er arbeitet dort auch als Lehrer, Schulbusfahrer, Gärtner und Reinigungskraft.

Wenn der große, kräftige Mann das lange weiße Gewand über Jeans und Hemd gezogen hat, dann schlüpft er in die Rolle des Schuldirektors. Er kommt ins Schwärmen, wenn er von seiner Arbeit berichtet. „Ich liebe meine Schule, und ich liebe es zu unterrichten“, sagt er im Brustton der Überzeugung. Der 47-Jährige war bereits mehrere Jahre Lehrer, bevor er seine Berufung spürte. Vor zehn Jahren wurde er dann zum Priester geweiht.

Die St.-Mary-Schule, die von Kindern im Vorschulalter bis zur zehnten Klasse besucht wird, hat es ihm so angetan, weil es eine ganz besondere Schule ist. Nicht nur, weil sie in der Region einen ausgezeichneten Ruf genießt. Sondern weil sie ausdrücklich nur für Schülerinnen und Schüler gedacht ist, die in den Slums der Umgebung wohnen. Sowie für Kinder des Lambadi-Stammes – Außenseiter in der indischen Gesellschaft, wie Pater Eugene erklärt. Die Lambadi werden selbst von der armen Bevölkerung gemieden und abgelehnt. Andere nicht staatliche Schulen würden all diese Kinder nicht aufnehmen, weil ihre Eltern das Schulgeld nicht bezahlen können. „Aber wir verlangen nur sehr wenig, sodass sie sich das leisten können.“ Trotzdem zahlen bei Weitem nicht alle den vollen Preis.

Es sind christliche Werte wie Gleichheit, Gerechtigkeit, Ehrlichkeit und Respekt voreinander, die Pater Eugene den Kindern beibringen will, statt nur Wissen zu vermitteln. „Mein Ziel ist es, dass sie lernen, in Frieden und Harmonie miteinander zu leben, dass sie sensibel werden für Umweltthemen und dass sie später in der Lage sind, Verantwortung zu übernehmen, um eine bessere Zukunft zu schaffen.“

Der Schultag beginnt mit einer persönlichen Ansprache

Sein ganzer Tag ist den Kindern und der Schule gewidmet. Auch heute stand er wie jeden Morgen um fünf Uhr auf, feierte die Messe, um dann die Büroarbeit zu erledigen. Als kurz vor acht die Kinder aus den voll besetzten gelben Schulbussen aussteigen, steht er vor dem Eingang des Schulgebäudes. Die Jungen und Mädchen stellen sich in Reih und Glied um ihn herum auf. Pater Eugene begrüßt alle, sagt ihnen in einer kurzen Ansprache, dass er von ihnen ein friedliches Miteinander erwartet, und wünscht ihnen ein erfolgreiches Lernen. Dann singen die Kinder noch gemeinsam ein Lied, bevor sie in den Unterricht gehen. Der Pater selbst macht sich auf den Weg in seine Klasse. Vier Stunden am Tag unterrichtet er Englisch und Sozialkunde.

Die jüngeren Schülerinnen und Schüler haben ihre Klassen im Erdgeschoss, dessen Wände Pater Eugene mit fröhlichen bunten Bildern bemalen ließ. Die Vorschulkinder stehen im Kreis in ihrer Klasse, klatschen in die Hände und lernen spielerisch Tierbegriffe. In der Nachbarklasse ist Englisch dran. Mucksmäuschenstill und konzentriert schauen die Jungen und Mädchen nach vorn, wo ihre Lehrerin Wörter an die Tafel schreibt – aber nicht an eine normale, sondern an eine digitale, die mit einem Computer verbunden ist, wodurch man Medien in den Unterricht einbinden kann. Fünf gibt es insgesamt davon. Ebenfalls ein Angebot der Schule sind Computerkurse. Im Medienraum sitzen Schülerinnen und Schüler vor Laptops und üben die ersten Schritte, etwa wie man einen kurzen Text eintippt.

Der Pater wirbt für Bildung bei den Bewohnern der Slums

Von so einer Ausstattung konnte Pater Eugene nur träumen, als er 2020 an diese Schule kam. Sie war in keinem guten Zustand, sollte sogar geschlossen werden. „Das Gelände sah aus wie ein Dschungel, alles war überwuchert.“ Also wurde er zum Gärtner, krempelte die Ärmel hoch und rodete das Gelände. Sorgte zudem für Strom und Licht.

Dann kam Corona. Und als die Schule endlich geöffnet wurde, folgte der Schock: Es kamen nur 16 Schüler und vier Lehrer. Und schon wieder machte Pater Eugene etwas, was nicht zu den typischen Aufgaben eines Lehrers gehört: Täglich ging er in die Slums und zu den Thandas, klopfte an die Türen, um bei den Eltern Werbung für die Schule zu machen, und erklärte ihnen, wie wichtig Bildung für die Kinder ist. Und hatte damit Erfolg. Immer mehr Eltern meldeten ihre Kinder an. Und weil sie mit den zwei Bussen aus den umliegenden Dörfern der Umgebung hin- und zurückgefahren werden mussten, es aber nur Geld für einen Schulbusfahrer gab, setzte er sich selbst ans Steuer. Holte frühmorgens die Kinder ab und brachte sie nachmittags wieder zurück. Seit Kurzem muss er das nicht mehr tun, ein zweiter Fahrer konnte eingestellt werden.

Längst hat sich herumgesprochen, wie gut und wichtig die Schule ist. Aus den 16 Schülern nach Corona sind inzwischen 375 geworden, die von 26 Lehrern unterrichtet werden. Dank Spenden konnte ein Spielplatz für die Jüngsten gebaut und die hygienischen Bedingungen verbessert werden. Auf dem Schulhof haben die Kinder inzwischen Zugang zu frischem Trinkwasser. Neue Toiletten sind im Bau. Aber es wird noch einiges benötigt: neue Bänke und Tische etwa. Pater Eugene will auch deutlich mehr Schüler aufnehmen.

Wenn dann um vier Uhr nachmittags die Busse die Kinder nach Hause fahren, zieht er das weiße Gewand aus und hilft, das Schulgelände zu säubern. Nach dem Abendessen setzt er sich wieder an den Schreibtisch. Er muss den Unterricht für den nächsten Tag vorbereiten.

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