Leben jetzt: Sie leben seit zwei Jahren im Augustinum in Essen. Wann haben Sie zum ersten Mal darüber nachgedacht, Ihre Wohnung aufzugeben?
Anneliese Schöner: Ich hatte schon vom Augustinum gelesen und durch eine Bekannte davon gehört, habe mir aber darum keine Gedanken gemacht. Aber als mein Mann vor fünf Jahren gestorben ist, veränderte sich plötzlich mein ganzes Leben. Und: Unsere Wohnung war jetzt viel zu groß. Da habe ich mich ans Augustinum erinnert.
Lj: Wie haben Sie sich dann eingelebt?
Schöner: Als ich im Mai 2021 in mein neues Zwei-Zimmer-Apartment ziehen konnte, habe ich meinen zwei direkten Nachbarn zum Einstand Pralinentütchen an die Tür gehängt, um mich für den Umzugslärm zu entschuldigen. Und bei einem der beiden – einem Paar – hat es dazu geführt, dass sie mich unter ihre Fittiche genommen haben. Die beiden haben mir Tipps gegeben, bei welchen Kursen und Veranstaltungen ich die anderen Bewohner schnell kennenlernen kann.
Lj: Der Umzug und der Wechsel ins Augustinum sind Ihnen nicht schwergefallen?
Schöner: Nein, ich habe frühzeitig angefangen, mich zu reduzieren. Was ich aber bereue: Ich habe meine Fotoalben, bis auf ganz wenige, alle ins Altpapier getan. Manchmal würde ich gerne noch einmal in ihnen blättern. Aber sie sind unwiderruflich weg.
Lj: Und Freunde und Familie?
Schöner: Menschen zu besuchen, mit denen ich früher eng in Kontakt war, ist schwieriger geworden. Weil ich mich Anfang August auch von meinem Auto verabschiedet habe. Aber ich habe mir ein Deutschlandticket geholt, so kann ich weiterhin meine Tochter in Essen besuchen und dort meinem „Oma-Dienst“ nachkommen.
Lj: Bereuen Sie den Umzug?
Schöner: Nein. Ich würde ihn nicht mehr rückgängig machen wollen!
Lj: Worauf haben Sie sich gefreut?
Schöner: Darauf, nicht mehr zu kochen! Das habe ich nach dem Tod meines Mannes nicht mehr gerne gemacht. Der Nachteil ist nur: Das Essen hier ist lecker, da nimmt man mehr zu, als man möchte. Aber es wird ja auch viel angeboten: Yoga, Gymnastik oder Nordic Walking. Dazu gibt es Ausflüge, Vorträge, Filme, Konzerte. Ich habe jetzt den typischen Rentner-Stress, aber das ist ja auch schön.
Lj: Was würden Sie zum Einzug in ein Seniorenheim raten?
Schöner: Es ist wirklich schlecht, wenn man zu lange wartet. Ich erlebe das immer wieder hier im Haus: Diejenigen, die von ihren Familien hierhergeschickt werden, sind ewig unzufrieden, weil es nicht ihre eigene Entscheidung war. Dadurch fühlen sie sich abgeschoben.
Lj: Für Sie hat eine Seniorenresidenz also nichts Beängstigendes?
Schöner: Nö. Ich habe auch schon durchgerechnet, wie alt ich werden kann.