Das Sternsingen geht auf mittelalterliche Bräuche vor allem im deutschsprachigen Raum zurück, in denen „drei Könige“ im Vordergrund standen. Damit verband sich einerseits das Erzählen der Weihnachtsgeschichte, andererseits auch das Bitten um Gaben.
In Oberösterreich wurde von der Katholischen Aktion in den 1950er Jahren der Brauch der Ministranten, nach Weihnachten um eine Belohnung für ihre Dienste zu betteln, aufgegriffen und in eine Solidaritätsaktion für die Entwicklung in anderen Ländern umgebaut. Dabei hatte die Darstellung von „Königen“ aus anderen Kontinenten den Sinn, sich die Menschen von anderen Kontinenten sinnfällig vor Augen zu führen, wenn auch theatralisch.
Der biblische Hintergrund dafür findet sich am Anfang des Matthäusevangeliums mit der Frage von „Sterndeutern aus dem Osten“, je nach Übersetzung auch als Sternkundige, Magier oder Weise bezeichnet. Es geht, ganz im Sinne der Erfüllung der früheren Erwartungen, die Matthäus immer wieder betont, um die „Erscheinung“ des menschgewordenen Gottes. Daher heißt das kirchliche Fest ja auch „Erscheinung des Herrn“, Epiphanie. In den orthodoxen Kirchen wird an diesem Tag die Geburt Christi gefeiert, weil es darum geht, dass auch Menschen außerhalb des jüdischen Volks, dem dieses Verständnis nahegelegen wäre, etwas von dieser Menschwerdung mitbekommen haben, durch ihr Lesen der Zeichen der Zeit oder die Beobachtung des Kosmos und der Natur. Die Menschwerdung wird also „aller Welt“ sichtbar und greifbar. Und im Evangelium handelt es sich um eine Erzählung, die das umfassende Heilsereignis Gottes beschreibt und verständlich macht.
Mit dem mittelalterlichen Interesse, solche Erzählungen handfest darzustellen, wurden auch die „Drei Könige“ hoch interessant. So sehr, dass ihre Reliquien aus Mailand nach Köln kamen – ein Fall von Raubkunst, wie man heute sagen würde – und zu einem wichtigen Anziehungspunkt für die Frömmigkeit werden konnten.
Christen in anderen Ländern feiern Weihnachten anders. Angefangen damit, dass die ganze winterliche Vorstellungswelt im Süden der Welt keinen Sinn hat, weil die Erfahrung gerade entgegengesetzt ist, spielen auch die Hautfarben der „drei Könige“ keine Rolle. Steyler Missionare aus Ghana etwa fangen mit dem Brauch von Sternsingern nichts an, sondern sie feiern mehr die Erscheinung des Herrn.
Im „Haus Völker und Kulturen“ in Sankt Augustin wurden um Weihnachten oft großartige Krippenausstellungen gezeigt, auch mit Krippen aus Afrika. Sie stellten vor, wie die zugrundeliegenden mitteleuropäische Auffassungen von Dreikönig fortgeführt, aber die Figuren in lokale Traditionen von Häuptlingen usw. eingebaut wurden. Natürlich, in den Ebenholzkrippen sind alle Personen schwarz, also „normal“.
Die Suche nach politischer Korrektheit und einem marketingbezogenen Zugang zu Spenden beim Sternsingen führen dann oft zu Rücksichtnahmen, die an der eigentlichen biblischen Botschaft vorbeigehen: Tatsächlich feiern die Christen einmal im Jahr ein Fest, dass Gott Mensch geworden ist und das eine globale Bedeutung hat. Die Christen rufen sich damit in Erinnerung, dass sie selber zu Nächsten aller Menschen geworden sind. Wenn es da hilft, sich diese Nächsten und Fernsten als Brüder und Schwestern vor Augen zu führen, sind sicher auch solche „Verkleidungen“ sinnvoll. Die Verkleidung soll nicht vom Inhalt wegführen, dass es um eine weltweite Geschwisterlichkeit und Hilfsbereitschaft für all die Menschen geht, die schon lange auf Gerechtigkeit und Lebensfülle warten; die neueste Enzyklika von Papst Franziskus über die grenzenlose Geschwisterlichkeit und soziale Freundschaft (Fratelli tutti) bietet dazu viele Anregungen und ist wohl auch für manche gute Christen immer noch eine Provokation, wie es die „Sterndeuter aus dem Osten“ (Matthäus 2,1) für „Herodes und ganz Jerusalem mit ihm“ (Matthäus 2,4) waren.