Erstellt von Anonym

Warum wendet sich mein Kind von der Kirche ab?

Warum wendet sich mein Kind von der Kirche ab?
Warum wendet sich mein Kind von der Kirche ab?

Immer weniger Menschen entscheiden sich für die kirchlichen Sakramente. | Foto: shutterstock

Keine kirchliche Trauung, keine Taufe – dass seine Tochter nichts mit der Kirche zu tun haben will, bedrückt diesen Vater sehr. Hier schreibt er über Schmerz und Trost.

Da stehen sie nun, die Braut – meine Tochter – und ihr Bräutigam. Sie geben einander ein Eheversprechen, das berührt. Sie kennen einander schon lange, sie kennen Höhen und Tiefen. Sie sollten wissen, was sie tun, wenn sie sich nun trauen. Aber: Wir stehen im Standesamt, nicht in der Kirche.

Und natürlich bohrt die Frage: Warum stehen wir jetzt nicht in der Kirche? Haben wir etwas falsch gemacht? 

Meine Gedanken kreisen: Was ist der Sinn eines Sakramentes? Es macht die Liebe und Nähe Gottes sichtbar! Das, was die beiden einander hier am Standesamt spenden, ist kein Sakrament im Sinn der Kirche, aber erfahren sie und wir an ihnen nicht auch die Liebe und Nähe Gottes? 

Die beiden wissen, dass ihre Liebe ein Geschenk ist, das sie weiterschenken. Wie sie einander anlächeln, in den Arm nehmen, wie sie miteinander planen – wäre das möglich ohne das Vertrauen, das es für unser Leben ein Fundament gibt, das trägt? War es nicht dieses Vertrauen, das uns in der Begleitung der Kinder erfüllt hat und von dem wir gehofft haben, dass es sie verwurzelt im Leben und in der Liebe?

Unsere Kinder hatten zwar kein „ganzes Dorf“ als Begleiter beim Heranwachsen, aber eine ganze Pfarrgemeinde, eine lebendige Gemeinschaft von glaubenden bzw. Glauben suchenden Menschen. 

Sie haben Kindergruppe und Kindergottesdienste erlebt, sie haben an Kinderwochenenden und Ferienwochen teilgenommen, sie sind hineingewachsen in unsere Feste und Feiern, haben mitgewirkt, mitgestaltet und mitverantwortet. Und das hat sich ausgewirkt: Sie begegnen anderen einfühlsam, sie treten ein für Werte und Überzeugungen, engagieren sich im sozialen Bereich, und ihre Verantwortung gegenüber der Schöpfung begleitet ihre Entscheidungen. 

Umso mehr bohrt die Frage: Woher kommt dieser Verlust des Vertrauens in die Kirche und in die Sakramente? 

Vielleicht ist es die Spannung, die sie erleben: Auf der einen Seite ein Papst, der glaubhaft immer wieder von Barmherzigkeit spricht, auf der anderen Seite eine Kirche als Institution, die in ihrem Regelwerk wenig Barmherzigkeit spüren lässt. Vielleicht sind sie verstört, weil sie miterleben, wie viele, die gerne kirchlich heiraten möchten, dies nicht dürfen, weil ihre Beziehungen nicht den Vorstellungen der kirchlichen Institution entsprechen. 

Folgerichtig werden sie auch ihre Kinder nicht taufen lassen, weil sie den Mehrwert nicht spüren können, den dieses Sakrament anbieten möchte. Aber sie erziehen ihre Kinder nach ganz ähnlichen Werten, wie sie erzogen wurden – also im Sinn eines christlichen Welt-, Menschen- und Gottesbildes. Sie achten – oft deutlich entschlossener als wir – auf grundlegende Prinzipien. Ihre Kinder werden liebende und liebenswürdige Menschen. Aber eben ohne direkte Mitwirkung der Kirche …

Ich bin sicher, dass die Welt nicht schlechter wird. Ich bin sicher, dass das Erbe des Jesus aus Nazareth, das die Kirche verwaltet, aktuell ist wie zu allen Zeiten. Und ich bin sicher, dass meine Kinder dieses Erbe bewahren, ohne es so beim Namen zu nennen. Aber meine Ratlosigkeit und Traurigkeit bleiben.

 Der Autor ist Vater und Großvaterin Wien und möchte anonym bleiben.

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