Steyler in Mexiko: In der Herberge ist Platz für sie
In Lateinamerika haben sie keine Zukunft – also machen sich Abertausende von Menschen auf den Weg in die USA. Doch der lange Marsch dorthin ist hart, oft lebensgefährlich. In der Casa Betania der Steyler Missionare können Migranten sich ausruhen, finden Unterstützung und Zuflucht vor Gewalt.
Auf dem blauen Tor der mexikanischen Herberge „Casa Betania“ steht in großen Buchstaben „Willkommen Migrantenbrüder und -schwestern“. Und doch haben Anai, 8, und ihre Mutter Ana, 30, Angst hineinzugehen. Wer weiß, was sie hier erwartet? Es fällt schwer zu vertrauen, wenn man auf einer lebensgefährlichen Reise ist. Vor über einer Woche sind die beiden in Honduras aufgebrochen. Durch die Wirbelstürme im vergangenen Jahr hatte die Familie ihre Existenzgrundlage verloren. Arbeit gibt es in ihrer Heimat keine. Ihre Hoffnung auf ein menschenwürdiges Leben heißt Amerika. Dort wollen sie hin. Den Weg über die Grenzen von Guatemala und Mexiko legten Mutter und Tochter mal im Kleinbus von Schleusern, mal zu Fuß zurück. Immer begleitet von der Furcht, überfallen zu werden.
Ronis Füße schmerzen nach 15 Tagen Marsch. Als Drogenhändler den 39-jährigen Polizisten aus Honduras zwingen wollten, für sie zu arbeiten, musste er das Land verlassen. Sonst hätten sie ihn umgebracht. Unterwegs traf er auf eine Gruppe Migranten, als diese von einer mexikanischen Verbrecherbande angegriffen wurden. Er half zu verhindern, dass ein Mädchen vergewaltigt wurde.
Edvin, 28, hatte eine Bäckerei in El Salvador. Doch das Schutzgeld, das er an die Maras, die Jugendbanden, zahlen musste, war zu hoch. Er wusste, dass er auf ihrer Todesliste steht. Für einen Spottpreis verkaufte er sein Geschäft und entkam.
Ein Paradies
Anai, Ana, Roni und Edvin sind nun in Sicherheit. Für ein paar Tage. Im Betanienhaus Santa Martha der Steyler Missionare im südmexikanischen Salto de Agua bekommen sie Essen und Kleidung, können duschen, werden medizinisch versorgt und juristisch beraten. „Es ist für uns ein Paradies. Ohne dieses Haus wäre es so, als würde man uns dem Tod überlassen“, sagt Edvin. „Ich bin glücklich in der Herberge, weil ich keine Angst haben muss“, meint die achtjährige Anai. Und Roni, dessen wunde Füße mit Salben behandelt wurden, findet: „Hier kann ich wieder Mut fassen.“
Es sind Tausende von Migranten, die täglich ihr Heimatland in Zentralamerika verlassen, und sie alle haben eine Geschichte zu erzählen: von der bitteren Armut in ihren Heimatländern, die gerade den jungen Menschen keine Perspektive bietet. Von Gewalt und Korruption, die das Leben dort bestimmen. Von Jugendbanden und Drogenkartellen, die die Bevölkerung terrorisieren. Nach Amerika wollen die meisten, legal oder illegal. Manche haben bereits Verwandte dort, die weitere Familienmitglieder aufnehmen wollen. Einige wenige entscheiden sich, in Mexiko zu bleiben und dort um Asyl zu bitten.
Wie kleine Oasen liegen mehrere Migrantenhäuser entlang ihrer Wegstrecke. Mit dem Bau der Casa Betania in Chiapas, einem der ärmsten mexikanischen Bundesländer, wurde vor fünf Jahren begonnen. Die Herberge hat Platz für etwa 80 Menschen. „Doch er reicht nicht aus“, sagt Bruder Joachim Mnich SVD, der das Migrantenhaus gründete und leitet. „Manchmal kommen doppelt oder dreifach so viele. Wir weisen keinen ab.“ Sind die vier Schlafsäle überfüllt, legen sich die Menschen auf Matratzen in den überdachten Hof, auf dem sie sonst ihre Mahlzeiten einnehmen. In diesem Jahr ist der Strom der Migranten besonders groß. Allein bis Ende September hat die Casa Betania über 22.500 Menschen Zuflucht gewährt, die allermeisten aus Honduras, aber auch aus El Salvador, Guatemala, Nicaragua, Kuba, Haiti und Venezuela. „Es kommen so viele, weil sie durch den Regierungswechsel in den USA die Hoffnung haben, dass sich die Einwanderungspolitik ändert“, so Bruder Mnich.
Wie eine Familie
Nicht selten hat das erste Gespräch in der Casa Betania auch seelsorgerischen Charakter. „Die Menschen sind dankbar, dass ihnen jemand zuhört. Wir haben auch einen eigenen Psychologen, der für sie da ist.“ Auch ihn selber belasten die Schicksale, mit denen er täglich konfrontiert ist. „Selbst wenn wir nur für eine kurze Zeit zusammen sind, wachsen wir doch zu einer Familie zusammen“, sagt der gebürtige Schlesier, der mit 15 Jahren nach Deutschland kam und später unter anderem im niederländischen Steyl, in Kuba, Österreich und Mexiko lebte. „Ich bin ebenfalls ein Migrant“, betont er. „Einer von ihnen.“
Roni und Edvin haben entschieden, in Mexiko zu bleiben. Bruder Mnich und seine Mitarbeiter helfen ihnen bei den Behördengängen zur Visumsbeschaffung. Ana will mit ihrer Tochter weiter nach Amerika. Über 2.000 Kilometer liegen noch vor ihnen. Ob sie es schaffen?
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