Steyler Schwestern im Einsatz für Frauen in Mexiko-Stadt: Ivonnes Geschichte
Die Steyler Schwester Selvi Selvaraj SSpS engagiert sich für Frauen, die in Mexiko-Stadt als Prostituierte arbeiten. Sie hilft, wo sie kann und versucht, ihnen den Ausstieg zu ermöglichen. Eine von ihnen ist Ivonne, 55
Ja, ich habe große Angst vor der Zukunft. Das Alter geht nicht spurlos an mir vorbei, die Kunden werden weniger. Ich bin jetzt eine ältere Frau ohne richtige Arbeit, ohne Geld, ohne Haus. Aber mit zwei Enkeln, die ich versorgen muss. Ich habe nichts aus meinem Leben gemacht. Wenn die Angst mich quält, sage ich mir: Noch kannst Du arbeiten, also mach weiter. Ich weiß, dass es falsch ist, was ich tue. Ich fühle mich deshalb schlecht, auch vor Gott. Natürlich wäre es gut, eine andere Arbeit zu haben. Ich habe auch schon mal kleine Jobs übernommen, etwa gemeinsam mit meinen Nachbarn Brote verkauft. Es hat sich gut angefühlt, nützlich zu sein. Deshalb habe ich mir gesagt: Du kannst auch etwas anderes machen. Und fing vor kurzem dami an, auf der Straße gebrauchte Sachen von mir und den Kindern zu verkaufen. Aber ich weiß nicht, wohin das führt, ob ich davon leben und die Enkel großziehen kann.
Ivonne kämpft für ihre Kinder
Außerdem: Ich kenne nur dieses Leben, das ich schon so lange führe, bin daran gewöhnt. Auch wenn es mir viele Schmerzen zufügt. Also arbeite ich erstmal weiterhin als Prostituierte, ob ich will oder nicht. Ich wohne ganz in der Nähe und kann zwischendrin kurz zu meinen Enkeln, um nach ihnen zu schauen und ihnen etwas zu essen zu bringen.
Mit 18 fing ich an mit dieser Arbeit. Da hatte ich schon drei Kinder, die ich versorgen musste. Mit 22 haben Kunden mich an Drogen gewöhnt, ich wurde süchtig. Meine Mutter verbot mir dann, meine Kinder zu sehen. Das war schlimm. Erst nach 25 Jahren konnte ich meine Sucht mit Hilfe der Anonymen Alkoholiker besiegen.
Auch in Sachen Liebe habe ich die falschen Entscheidungen getroffen. Das weiß ich erst jetzt, damals habe ich vor der Wahrheit die Augen verschlossen, weil sie zu weh getan hätte. Ich wollte nicht sehen, dass die Partner, die ich hatte, nichts anderes waren als Zuhälter. Sie haben mich nicht geliebt, waren faule Schmarotzer, die nur mein Geld wollten. Ich bin auch misshandelt worden. Vor einem der Männer habe ich bis heute Angst. Aber auch die Kunden muss ich oft fürchten. Wenn sie aggressiv werden, ist es wichtig, unbedingt ruhig und sehr freundlich zu bleiben, damit man das Zimmer unverletzt wieder verlassen kann. Eine meiner Töchter arbeitet inzwischen auch als Prostituierte. Es tut mir sehr weh, dass sie dasselbe Leben führt wie ich.
Mexiko-Stadt
In der Hauptstadt Mexikos leben über neun Millionen Menschen, im Ballungsraum über 21 Millionen. Ein Drittel der Bevölkerung lebt unter der Armutsgrenze.
Viele der Frauen, die Schwester Selvi unterstützt, sind durch familiäre Notlagen in die Situation gekommen, etwa weil ein Kind krank wurde. Andere wurden von ihrem Partner gezwungen. Manche folgen der Mutter in diesen Beruf. Wieder andere wurden von Zuhältern unter falschen Versprechungen nach Mexiko-Stadt gelockt.
In einem Land wie Mexiko, das von großer Armut geprägt ist, ist es ohnehin schwierig, genug Geld für den Lebensunterhalt zu verdienen. Insbesondere wenn man weder lesen noch schreiben kann, was etwa für die Hälfte dieser Frauen zutrifft. Ihre Notlage wird zusätzlich durch Drogenabhängigkeit erschwert.