Steyler im Einsatz für Frauen in Mexiko-Stadt: Lourdes' Geschichte
Die Steyler Schwester Selvi Selvaraj SSpS unterstützt Frauen in Mexiko-Stadt, die aus Not als Prostituierte arbeiten und von der Gesellschaft mit Verachtung gestraft werden. Eine von ihnen ist Lourdes, 45. Für ‚Leben jetzt' berichtet sie offen über ihr Leben
"Als ich Großmutter wurde, beschloss ich, mein Leben zu ändern. Das war vor sieben Jahren. Inzwischen verdiene ich mein Geld mit Näharbeiten. Und ich besitze einen kleinen Stand, an dem ich Snacks und Süßigkeiten verkaufe. Zu verdanken habe ich mein neues Leben Schwester Selvi. Sie besorgte mir eine Nähmaschine und einen Mikrokredit. Ich muss hart arbeiten, um genug Geld für meine Familie und mich zu verdienen. Aber das ist egal. Denn ich habe meine Würde zurück. Und ich muss keine Angst mehr haben vor Kunden, die mich schlagen oder zwingen, Drogen zu nehmen. Auch nicht vor den Fremden auf der Straße, die mich beleidigen und beschimpfen.
Es war eine Notlage, die mich in die Prostitution zwang. Mein Kind war krank, mein damaliger Partner und ich hatten keine Arbeit, kein Geld für die Behandlung. Hätten wir das Krankenhaus nicht bezahlt, hätte man uns die Tochter weggenommen. Keiner wollte uns etwas leihen und ich hatte auch keine Familie, die mir finanziell helfen konnte. Meine Mutter verließ mich nach der Geburt für einen neuen Partner. Von meiner Tante, bei der ich aufwuchs, hatte ich keine Unterstützung zu erwarten. Als Kind bekam ich nur Schläge statt Liebe.
Lourdes arbeitete als Prostituierte, um die Krankenhauskosten bezahlen zu können
Meine Schwägerin schlug vor, ich solle das Geld für die Behandlung mit Prostitution verdienen. Anfangs habe ich mich geweigert, aber ich hatte letztlich nicht die Wahl. Also gab ich nach, arbeitete jeden Tag für zwölf Stunden. Auch nachdem das Krankenhaus bezahlt war. Mein Partner zwang mich dazu, seine Schwester wurde meine Zuhälterin. Brachte ich nicht genug Geld mit, schlug er mich. Vor ihm fürchtete ich mich noch viel mehr als vor meinen Kunden.
Ich machte auch weiter, nachdem ich mich endlich von ihm trennte. Ich hatte ja kaum die Schule besucht, sah keine Chance auf einen Neustart. Meine größte Angst war, dass meine Kinder erfahren, was ich mache und mich dann nicht mehr lieben. Lange konnte ich es vor ihnen geheim halten. Als eine meiner Töchter es erfuhr, wendete sie sich von mir ab. Es hat mir gutgetan, mit Schwester Selvi jemanden gefunden zu haben, dem ich all das anvertrauen kann. Ich will sie nicht enttäuschen. Doch manchmal, wenn die Nähaufträge weniger werden, denke ich daran, mein altes Leben wieder aufzunehmen, um meine Familie besser unterstützen zu können."
Mexiko-Stadt
In der Hauptstadt Mexikos leben über neun Millionen Menschen, im Ballungsraum über 21 Millionen. Ein Drittel der Bevölkerung lebt unter der Armutsgrenze.
Viele der Frauen, die Schwester Selvi unterstützt, sind durch familiäre Notlagen in die Situation gekommen, etwa weil ein Kind krank wurde. Andere wurden von ihrem Partner gezwungen. Manche folgen der Mutter in diesen Beruf. Wieder andere wurden von Zuhältern unter falschen Versprechungen nach Mexiko-Stadt gelockt.
In einem Land wie Mexiko, das von großer Armut geprägt ist, ist es ohnehin schwierig, genug Geld für den Lebensunterhalt zu verdienen. Insbesondere wenn man weder lesen noch schreiben kann, was etwa für die Hälfte dieser Frauen zutrifft. Ihre Notlage wird zusätzlich durch Drogenabhängigkeit erschwert.