Erstellt von Xenia Frenkel

Wandelt sich Gott? Oder bleibt er immer gleich?

Ein Regenbogen über dem Meer
Im Menschen Jesus werden wir, wird der Mensch Gottes ansichtig

"Wir können Gott nicht mit Worten fassen, aber im Menschen Jesus erkennen, wie Gott ist: Er setzt sich für Gerechtigkeit und Barmherzigkeit ein, für die Armen, Kranken, Randständigen, Verfolgten, von aller Welt Verlassenen", sagt Pater Tauchner | Foto: iStock

‚Leben jetzt‘-Autorin Xenia Frenkel sucht im Gespräch mit dem Theologen Christian Tauchner SVD nach Antworten auf die Frage, ob Gott sich wandelt - oder der Blick des Menschen auf Gott sich verändert

 ‚Leben jetzt‘: Wenn ich es recht sehe, gibt es theologisch zwei Vorstellungen von Gott: eine von einem absoluten, unwandelbaren Gott und eine andere, in der er sich wandelt, wie es sich beispielsweise aus der biblischen Sintflut-Erzählung herauslesen lässt. Hier ändert sich Gott, zumindest in seinen Entscheidungen und in seiner Haltung der Schöpfung gegenüber. Oder ist diese zweite Lesart falsch?
Christian Tauchner SVD:
Ich denke, dass es sich hier vor allem um ein Problem des Sprechens handelt, wie ich als Mensch von und über Gott etwas sagen kann. Nämlich nur sehr wenig. Von daher halte ich mich an die theologische Auffassung, dass Gott nicht wandelbar ist, ich aber sehr wohl unterschiedliche Erfahrungen mit ihm mache. Dieser Wandel drückt sich dann in meiner Sprache aus. Insofern ist es in der Bibel tatsächlich so, dass sich Gott verändert.

Lj: Das müssen Sie bitte genauer erklären, so ganz verstehe ich das nicht.
Tauchner SVD: Gemäß dem 2. Vatikanischen Konzil hat sich Gott bestimmter Menschen bedient, um mittels der Bibel und anderer Schriften auszudrücken, was ihm wichtig ist. In diesen Texten finden sich jedoch keine mathematischen Formeln, sondern oft sehr schöne Metaphern und Vergleiche. Zum Beispiel die Stelle von der Sintflut, wo Gott sagt: „Ich werde meinen Bogen in die Wolken hängen“, und ein Regenbogen erscheint. Der Bibeltheologe Gottfried Vanoni SVD versteht diesen Satz als Aussage eines Kriegsgottes, der beschließt, seinen Kriegsbogen an den Nagel zu hängen.

Lj: Der Theologe Gottfried Vanoni interpretiert die Sintflut-Erzählung aus der Perspektive von Noah.
Tauchner SVD: Ja. Angesichts dieses bedrohlichen Unwetters fürchtet Noah, dass der Kriegsgott unterwegs ist und ihn abschießt. Dann aber sieht er erleichtert den Bogen am Himmel und nimmt ihn als Zeichen, dass Gott das Leben auf dieser Erde für immer schützen wird. Das meint aber nicht unbedingt, dass sich Gott geändert hat. Sondern umgekehrt der Blick des Menschen auf Gott.
In diesem Zusammenhang ist mir wichtig zu betonen, dass die theologische Aussage über die Unveränderbarkeit Gottes damit zusammenhängt, dass man Gott prinzipiell als unendlich sehen soll. Gott ist absolute, unveränderliche Gegenwart. Wie dieses ewige Jetzt aussehen könnte, entzieht sich jedoch unserer Vorstellungskraft. Insofern ist es vielleicht verständlich, dass aus menschlicher Perspektive, die endlich ist, von diesem Gott immer wieder andere Aspekte zum Vorschein kommen. Er ist tatsächlich der gefährliche Wettergott, der mich bedroht, aber auch der Gott des Regenbogens, der mir Frieden anbietet.

„Wir können Gott nicht mit Worten fassen, aber im Menschen Jesus erkennen. Weil wir von ihm wissen, wie er war, wie er gelebt hat.“

Lj: Die Liebe und der Segen Gottes werden Christen in der Taufe zugesagt. Taufe steht auch für Neubeginn, Neuwerdung, Neuorientierung. Ich frage mich: Gilt das auch für Jesus? Wollte auch er durch seine Taufe neu, vielleicht sogar ein anderer werden? Brauchte er diese Liebes-Zusage überhaupt?
Tauchner SVD: Jesus hat sich eingegliedert in die Gruppe, die damit Ernst machen wollte, dass in ihrem Leben Gott das Sagen hat. Der Taufbewegung ging es um eine andere Gesellschaftsordnung. Die Metanoia, jene grundlegende Veränderung im Denken, von der bei Johannes und Petrus die Rede ist, diese Umkehr der Geisteshaltung hat Jesus für absolut notwendig gehalten. Er war in seiner Einstellung den Pharisäern sehr nah. Trotzdem war ihm klar, dass das nicht reicht, dass man sich noch näher an Gott heranwagen muss und sich dieser Bewegung, die mit Gott Ernst machen will, anschließen muss. In der Taufe erlebt Jesus, dass Gott tatsächlich nahekommt und die Worte spricht: „Dies ist mein lieber Sohn, an dem ich Wohlgefallen habe.“
Jesus ändert sich nicht, aber in meinen Augen macht er eine Entwicklung durch. Nach der Taufe geht er beispielsweise 40 Tage in die Wüste.

Lj: Was sucht er dort, wenn denn nicht eine innere Klärung, um eine Entwicklung herbeizuführen?
Tauchner SVD: Das wird nicht abgestritten. Auch nicht in den Evangelien. Da heißt es an einer Stelle: „Er nahm zu an Alter und Weisheit.“

Lj: Das erhoffen wir auch für uns. Was mich angeht, bin ich in unserem Gespräch nicht unbedingt weiser, aber hoffentlich etwas klüger geworden. Zumindest habe ich verstanden, dass, was wir über Gott sagen und zu wissen glauben, mehr über uns aussagt als über Gott.
Tauchner SVD: Das ist wohl so.

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Unser Gesprächspartner

Der Theologe Christian Tauchner SVD ist derzeit Direktor des Missionswissenschaftlichen Instituts der Steyler Missionare in Sankt Augustin.

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