Welches Frauenbild vermittelt die Bibel, Frau Birnbaum?

Welches Frauenbild vermittelt die Bibel?
Welches Frauenbild vermittelt die Bibel?

Es gibt wahrhaft feministischere Lekktüren als die Bibel. Darum wollten wir wissen: Welches Frauenbild vermittelt das Buch der Bücher? | Foto: shutterstock

Nicht immer erschließt sich der Inhalt der Bibel beim ersten Lesen. Darum haben wir die Direktorin des Österreichischen Katholischen Bibelwerks, Elisabeth Birnbaum, gebeten, sie uns zu erklären.

Zugegeben: Es gibt feministischere Lektüren als die Bibel. Die Bibel wurde größtenteils von Männern für Männer geschrieben, sie spiegelt eine patriarchale Gesellschaft wider und Gleichberechtigung oder #MeToo- Bewegungen gab es damals noch nicht.

So wundert es auch nicht, dass sich darin Texte finden, die Frauen als Besitz des Mannes sehen und gerade im sexuellen Bereich scharf zwischen männlichen und weiblichen Befugnissen unterscheiden.

Andererseits: In Anbetracht der Zeitumstände und bei näherem Hinsehen ist es dann doch erstaunlich, wie viele aktiv handelnde Frauen in der Bibel präsentiert werden. Viele von ihnen wurden erst in der Auslegungsgeschichte marginalisiert, ignoriert, verniedlicht oder verteufelt.

Zum Beispiel: Dass Gott in Gen 1,26 alle (männlichen UND weiblichen) Menschen als Bild Gottes erschaffen hat, ist eine kühne Aussage, die oft zugunsten von Gen 2 (die Frau aus der Rippe des Mannes) hintangestellt wurde. Und auch die Geschichte mit der Rippe ließe sich ganz anders deuten als meist üblich: Denn auch dort wird nicht zuerst der Mann, sondern zuerst der Mensch (ha adam) erschaffen, der dann einen Mitmenschen braucht, der ihm entspricht. Die Rippe meint somit einfach, dass Mensch und Mitmensch aus demselben Material sind („aus demselben Holz geschnitzt sind“).

Weitere Beispiele: In den Erzählungen rund um Abraham und Sara, Isaak und Rebekka sowie Jakob und Lea und Rahel wurde die Rolle der Frauen selten entsprechend gewürdigt. Erst in jüngster Zeit bezeichnet man diese Texte nicht mehr als „Erzväter-“, sondern als „Erzeltern-Erzählungen“.

Oder: Zwar gibt es in katholischen Bibeln drei Bücher, die eine Frau als „Titelfigur“ haben – Rut, Ester und Judit. Doch die Auslegungsgeschichte machte aus dem Buch Rut eine liebliche Idylle, aus der Königin Ester eine vor allem schöne Frau und aus Judit einen männermordenden Vamp.

Ein ähnliches Schicksal ereilte im Neuen Testament Maria Magdalena, die von der Auslegungsgeschichte von der ersten Zeugin der Auferstehung Jesu zur Prostituierten degradiert wurde.

Das Frauenbild, das die Bibel vermittelt, ist demnach ambivalent. Es bleibt in der patriarchalen Welt verhaftet, setzt darin aber erstaunliche Akzente, die bei unbefangener Lektüre neu entdeckt werden können. Es lohnt sich jedenfalls, sich auf weibliche Spurensuche zu begeben!

Zur Rubrik

An dieser Stelle schreibt normalerweise Pater Kreuzer SVD. Für die Beantwortung dieser „Frauenfrage“ hat er sich jedoch eine weibliche Expertin gewünscht. Dies ist Elisabeth Birnbaum, Direktorin des Österreichischen Katholischen Bibelwerks.

Haben Sie auch eine Frage zur Bibel? Schreiben Sie uns: redaktion@lebenjetzt.euStichwort: Bibelfrage

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