Erstellt von Ulla Arens

Wie lange braucht man mit dem Fahrrad um die Welt?

Heinz Stücke fuhr mit dem Fahrrad einmal um die Welt
Heinz Stücke fuhr mit dem Fahrrad einmal um die Welt

Mit diesem Fahrrad fuhr Heinz Stücke um die Welt | Foto: Moritz Küstner / Heinz Stücke

Über 50 Jahre hat Heinz Stücke die Welt durchradelt. Seit 2014 wohnt er wieder in seinem Heimatdorf. ‚Leben jetzt‘-Autorin Ulla Arens hat ihn dort besucht. Und traf auf einen Mann, der genau wusste, wie er leben musste, damit es ihm damit gut gehen würde

Heinz Stücke sammelt. Er sammelt Länder (196), Kilometer (648.000), Fotos (über 100.000), Erinnerungen (unzählige). Alle Erinnerungsstücke hat er archiviert, beschriftet, aufgelistet. Das Haus in seinem Heimatdorf Hövelhof bei Paderborn hat der Senior in ein privates Museum verwandelt. Jeder Quadratzentimeter ist ausgenutzt, um seine Reise zu dokumentieren, die 1962 begann und 2014 endete. 51 Jahre, in denen er auf dem Sattel seines Dreigangfahrrads jedes Land der Welt erkundete.

Wie alles begann

Auf einem 25 Kilo schweren Rad der Firma Tripad aus Paderborn, die es längst nicht mehr gibt, und mit 300 Dollar im Portemonnaie, radelte er los. In den Satteltaschen hinten und am Lenker etwa 50 Kilo Gepäck. Über Südeuropa ging es durch Afrika, dann weiter nach Südamerika, wo er drei Jahre blieb.

Weiter ging es Richtung USA und Kanada, dann Asien und Australien. Das nötige Geld verdiente er, indem er selbst geschriebene Broschüren über seine Reise verkaufte und Vorträge in deutschen Clubs hielt, wo dann reichlich gespendet wurde.

Und er reiste so preiswert es ging. Übernachtete privat bei Menschen, die ihn zu sich einluden, in billigen Pensionen, in seinem Zelt, aber auch in Missionsstationen, Tempeln, Polizeistationen, einer Telefonzelle. Er schlief auf der Chinesischen Mauer, in den Ruinen von Machu Picchu, zu Füßen der Christusstatue in Rio. Und egal, wo er war, ob in der Wüste oder im Dschungel, immer legte er Wert darauf, den Menschen gepflegt und sauber gegenüberzutreten.

Es gab kein Zurück mehr

„Heimweh hatte ich nicht und ein Zurück gab es irgendwann nicht mehr. Mein freies Leben mit einem in der Fabrik zu tauschen war indiskutabel. Das Reisen wurde zum Inhalt meines Lebens und zu meinem Beruf.“ Irgendwann stand sein Plan fest: insgesamt 50 Jahre um die Welt. Die Namen der Städte, die er besuchte, schrieb er mit weißer Farbe auf den Rahmen seines Rads, hängte daran eine Weltkarte. „Das Rad war mein Ausweis. Die Leute sprachen mich an, wollten meine Geschichte hören.“

Im Schnitt fuhr er 80 bis 120 Kilometer am Tag. Langweilig war ihm dabei nie. „Ich habe vor mich hin geträumt, mich erinnert, Pläne geschmiedet, Kurzwellenradio gehört.“ Er machte Pausen, um zu fotografieren, mit Menschen zu sprechen. Oder er lernte Vokabeln, die er auf ein Kärtchen schrieb, das er am Lenker befestigte. Englisch, Spanisch, Französisch spricht er fließend. Auf Russisch und Japanisch kann er sich ebenfalls unterhalten.

51 Jahre Weltreise mit dem Fahrrad

Das Ziel, nach 50 Jahren nach Hause zu kommen, verpasste er um ein Jahr. Und er wäre wohl noch weitergeradelt, wenn die Gemeinde Hövelhof, die für ihn immer seine Heimat geblieben ist, ihm nicht ein Haus mietfrei zur Verfügung gestellt hätte. Hier lebt er jetzt, von 250 Euro Rente. Besucher seines Museums-Hauses dürfen eine Spende hinterlassen. Staatliche Unterstützung holt er sich nicht, da will er unabhängig bleiben.

Seit es auf Netflix eine Dokumentation über ihn gibt „The man who wanted to see it all“ bekommt er noch mehr Post und noch mehr Besuch von Menschen, die mehr über sein Leben erfahren wollen. „Ich erlebe beim Erzählen alles noch mal. Und genieße es noch mal.“

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