Erstellt von Ulla Arens

Pater Üffing spricht über die Steyler Mission und Kolonialismus

Zeichnung von Menschen, die  sich an den Händen haltend Kreise bilden
Wir sind alle Kinder Gottes. Und damit sind wir alle Brüder und Schwestern

Eine Welt für alle: Warum es besser wäre, sich auf gemeinsames Menschsein zu konzentrieren statt auf Rassen und Nationen. Und wie die Steyler heute über das Missionieren denken. | Foto: iStock

Im Namen Gottes gingen Missionare in ferne Länder. Und waren dabei oft Teil des kolonialen und imperialistischen Systems. Pater Martin Üffing SVD stellt sich den Fragen zu Verstrickung, Schuld und Vergangenheitsbewältigung

Leben jetzt: Längst nicht alle Religionen missionieren. Dem Judentum etwa ist das fremd. Womit begründet das Christentum seinen Missionsauftrag?
Pater Martin Üffing SVD:
Mit der Bibel. Am Ende des Matthäusevangeliums heißt es: „Darum geht zu allen Völkern und macht alle Menschen zu meinen Jüngern; tauft sie auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes, und lehrt sie, alles zu befolgen, was ich euch geboten habe.“ Mit der Erfahrung des Heiligen Geistes an Pfingsten beginnt die Gemeinschaft der Jünger Jesu sich auszubreiten und wird zum Christentum. In der Apostelgeschichte können wir nachlesen, wie das in Schritten geschah. Eine besondere Rolle spielt hier Paulus, der im Namen Jesu als Missionar im Mittelmeerraum unterwegs war und bis nach Rom kam.

Lj: Heute wird das Missionieren kritisch gesehen. Es sei verstrickt gewesen in den Kolonialismus, dessen Unterdrückung und Rassismus. Damit habe sich die Kirche schuldig gemacht.
Üffing SVD:
Es ist gut, die Missionsgeschichte kritisch zu betrachten. Auch Missionare waren Kinder ihrer Zeit und von der besonderen Bedeutung ihrer Botschaft überzeugt. Das führte dann oft dazu, dass andere Menschen und Kulturen nicht ernst genommen wurden. Daraus ergab sich auch viel Ungerechtigkeit und Zerstörung. Aber es gab immer auch Missionare, die sich für die lokalen Menschen einsetzten. Wir sollten also differenziert auf die Geschichte schauen.

Lj: Dann fangen wir anders an. Was haben die Menschen in den damals kolonisierten Ländern den Missionaren zu verdanken?
Üffing SVD:
Das Christentum. Natürlich denke ich als Christ, dass meine eigene Religion die richtige ist. So wie das etwa auch Juden und Muslime von ihrer Religion sagen würden. Die Missionare waren von Anfang an auch Sozialarbeiter, haben sich um Benachteiligte und Arme gekümmert. Sie haben Kranken­stationen und Krankenhäuser gebaut. Und sich für Bildung engagiert – mit eigenen Schulen und Universitäten.

Lj: Um die Schuldfrage kommen wir aber nicht he­rum. Schließlich war Mission Teil des kolonialen Herrschaftssystems.
Üffing SVD:
Ich finde, man darf Mission nicht nur unter kolonialen Aspekten betrachten und auf keinen Fall Mission und Kolonialismus gleichsetzen. Trotzdem zogen Missionare häufig in die Kolonien der Länder, aus denen sie kamen, und unterstützten auf gewisse Weise das Kolonialsystem. Irgendwie war ja das Christentum im 19. Jahrhundert zu einer „europäischen Religion“ geworden. Die Menschen einte bis ins 20. Jahrhundert das eurozentristische Überlegen­heitsdenken: Europäer verstanden sich und ihre Kulturen beziehungsweise Zivilisationen als Maß aller Dinge. Man hatte die tiefe Überzeugung, dass es in Ordnung sei, fremde Länder für sich zu beanspruchen. Die Einheimischen waren in den Augen mancher Europäer nur unzivilisierte und primitive „Wilde“.
Und natürlich hat sich die Kirche auch schuldig gemacht. Sie hat bei Unterdrückung und Gewalt oft weggeschaut oder sie sogar legitimiert. Es gab Missionare, die Teil des kolonialen Herrschaftssystems waren. Aber es gab auch Missionare, die auf Distanz gegangen sind, die die Brutalität der Eroberer angeprangert, Freiheitskämpfer unterstützt oder den Einheimischen Schutz­zonen eingerichtet haben.

Lj: Warum war es damals so wichtig, die Einheimischen zu taufen?
Üffing SVD:
Im 15. Jahrhundert wurde im Konzil von Florenz festgelegt, dass alle Menschen, die sich außerhalb der katholischen Kirche befinden, auf immer verdammt sind. Auch wenn man das heute vielleicht nicht mehr versteht, ging es den Missionaren damals wirklich um die Rettung der Menschen vor den Feuern der Hölle und natürlich darum, dass alle zur Kirche gehörten. Deshalb gab es auch Zwangs- und Massentaufen. In der „­stadtgottes“, unserer Vorgängerzeitschrift, wurden zum Beispiel Statistiken über erfolgte Taufen abgedruckt. Für die Missionare jedweden Ordens war es ein Akt der Nächstenliebe, die Menschen zu taufen und damit ihre Seelen zu retten. Die Formel „Außerhalb der Kirche kein Heil“ wurde übrigens erst mit dem Zweiten Vatikanischen Konzil abgeschafft.

Lj: Welche Haltung hatten die Steyler Missionare zum Kolonialismus?
Üffing SVD:
Auch sie waren Kinder ihrer Zeit. Auch sie haben zum Teil lokale Kulturen und Religionen nicht respektiert, sind den Menschen längst nicht immer auf Augenhöhe begegnet. Oder haben als Gegenleistung für Entwicklungshilfe erwartet, dass sich die Einheimischen taufen lassen. Da müssen wir noch einiges aufarbeiten.

Lj: Was hat die Mission der Steyler von anderen Orden unterschieden?
Üffing SVD:
Die Steyler haben sich schon früh für andere Kulturen interessiert. 1906 wurde das Anthropos Institut gegründet. Es sollte die Missionare mit dem Land und den Menschen, zu denen sie reisten, vertraut machen. Außerdem haben die Steyler früher als andere Orden damit angefangen, Einheimische in den Orden aufzunehmen. Die ersten Afroamerikaner, die in den USA Priester wurden, waren Steyler. Die Steyler wurden so immer mehr zu einem internationalen Orden, der jetzt zum dritten Mal von einem Priester geleitet wird, der aus dem globalen Süden stammt. Wir haben viel dazugelernt.

Lj: Was bedeutet für Sie heute Mission?
Üffing SVD:
Wir sprechen heute von „Gottes Mission“, also davon, dass wir – zusammen auch mit Menschen anderer Religionen – daran mitwirken, dass Gottes Plan für die Menschen verwirklicht wird. Diesen Plan können wir in Jesu Leben und Botschaft finden. So hat Mission immer mit Einander-Zuhören zu tun und verlangt eine Haltung des Dialogs. Es geht darum, das Zusammenleben von auch völlig verschiedenen Menschen zu ermöglichen und zu gestalten. Angesichts der Kriege und Krisen in unserer Zeit und Welt ist das eine große Aufgabe, zu der Christen etwas beitragen können.

Mehr spannende Texte lesen Sie in unserer Zeitschrift

Zur Zeitschrift

Zur Rubrik

Glossar

Nationen in eine Erste, Zweite und Dritte Welt einzuteilen,gilt mittlerweile als problematisch, impliziert es doch eine Wertigkeit. Gemeint waren mit der Ersten Welt meist reiche Industriestaaten. Die Zweite Welt ist schon weniger reich, aber auch kein armer Agrarstaat. Die Dritte Welt umfasstschließlich die ärmsten Länder – wobei zuweilen sogar von einer noch ärmeren Vierten Welt gesprochen wird.

Hier tut sich was: Auf dem Weg vom Entwicklungsland hin zur Industrienation sind die Schwellenländer. In diesen Ländern lassen sich etwa starkes Wirtschaftswachstum und steigende Lebensstandards beobachten. Im Gegensatzzu vielen anderen Begriffen in dieser Liste ist die Bezeichnung Schwellenland neutraler als der manchmal auch gebrauchte Begriff „Zweite Welt“.

Der Status der am wenigsten entwickelten Länder ist von den Vereinten Nationen festgelegt und wird gemessen am Einkommen und an menschlichen Werten, wozu etwa die Sterblichkeitsrate bei unter Fünfjährigen und der Alphabetisierungsgrad zählen. Außerdem ist mit ausschlaggebend, wie wahrscheinlich es ist, dass unvorhergesehene Ereignisse den Entwicklungsprozess eines Landes behindern. Nationen, die der Liste hinzugefügt werden, erhalten mitunter eher Zuschüsse oder günstige Kreditbedingungen.

Eine anerkannte Definition dafür, was genau ein Entwicklungsland ist, gibt es nicht. Allgemein wird darunter ein Land verstanden, dass in sozialer und wirtschaftlicher Hinsicht einen eher niedrigen Lebensstandard aufweist. Obwohl viel genutzt, wird das Wort zuweilen herablassend gelesen, impliziert es doch für manche, dass die entsprechenden Länder sich mehr an die Lebensstandards der Industrienationen angleichen müssten – obwohl deren Verhalten, etwa beim Konsum, für Natur und Mensch schädlich sein kann.

Die westliche Welt liegt nicht nur im Westen, oft sind Nordamerika, Europa und Teile Ostasiens und Ozeaniens mitgemeint. Sie zeichnen sich etwa durch Bürger- und Menschenrechte, Demokratie und Gewaltenteilung aus. Auch wirtschaftliche Aspekte spielen eine Rolle. Ähnlich wie „Erste Welt“ ist der Begriff strittig.

Die Länder des globalen Südens liegen wenig überraschend im Süden: Südamerika, Afrika und Teile von Asien. Der Begriff wird häufig verwendet, um die Hierarchie der Ersten, Zweiten und Dritten Welt aufzubrechen, gleichzeitig wird auch er kritisiert, da er Länder miteinander vergleicht, die unterschiedlich entwickelt sind. Außerdem klinge er weiterhin abwertend gegenüber allem, was nicht dem globalen Norden entspricht.

Der Begriff Eine Welt soll seine hier genannten Vorgänger ablösen – dabei sollen die Gleichberechtigung und die Entwicklung auf Augenhöhe im Fokus stehen. Und: Es gibt nur die eine Welt – und Nutzerinnenund Nutzer des Begriffs wollen damit darauf verweisen, dass es diese eine Welt zu schützen gilt.

Teilen