Erstellt von Xenia Frenkel

Wie wollen wir sterben?

Wie wollen wir sterben? Mit dieser Frage sollten wir uns öfter auseinandersetzen
Wie wollen wir sterben? Mit dieser Frage sollten wir uns öfter auseinandersetzen

Den Tod verdrängen viele, dabei wäre eine Auseinandersetzung mit dem Thema so wichtig. | Foto: unsplash

Nichts im Leben ist so sicher wie die Tatsache, dass wir alle sterben werden. Dennoch meiden wir es, uns damit zu beschäftigen.
Dabei braucht ein guter Tod Vorbereitung

Wie möchte ich sterben? Als junge Mutter konnte ich den Gedanken an den Tod kaum ertragen. Die Vorstellung, ich oder gar eines meiner Kinder könnten abgerufen werden, schob ich weit von mir. Das hatte fast etwas Abergläubisches, als ob ich so den Tod bannen könnte. Doch mit den Jahren rückte er näher. Ich habe meine Eltern in die andere Welt verabschiedet, meinen ersten Mann, zwei alte Damen, mit denen ich befreundet war. Nicht dass meine Ängste vor dem Sterben durch diese Erfahrungen völlig verschwunden wären – aber es fühlt sich weniger bedrohlich und unwirklich an als früher.

Auch bei den Freunden hat sich manches geändert. Wenn das Gespräch auf den Tod kommt, was jetzt häufiger der Fall ist, sprechen wir ganz offen. Auch über unsere Ängste. Die sind ja nicht aus der Luft gegriffen. Unsere Hochleistungsmedizin hat viele neue Heilungschancen eröffnet, aber auch dazu geführt, dass Sterben und Tod immer mehr ausgeblendet werden. Viele von uns haben bis ins höhere Alter hinein noch nie jemanden sterben sehen. Oft genug interveniert die Medizin noch, wenn sich ein Mensch längst auf seine letzte Reise gemacht hat.

Kaum jemand stirbt noch zu Hause, ohne Infusion oder künstliche Ernährung. „Das Sterben hat seine Natürlichkeit verloren“, stellt der Internist und Palliativmediziner Michael de Ridder in einem Radiointerview fest und plädiert dafür, unsere Sterblichkeit neu zu denken.

Die letzten Dinge ordnen

Wie möchte ich sterben? Vermutlich wie wir alle, friedlich und sanft mit meinen Lieben an der Seite, nach einem langen, erfüllten Leben. Mir ist bewusst, dass das nicht allein in meiner Hand liegt. Aber zumindest kann ich mich vorbereiten. Eine Patientenverfügung, eine Betreuungsvollmacht und ein Testament verfassen, den Hausrat so ordnen, dass Hinterbliebene nicht vor einem Berg von organisatorischen oder finanziellen Problemen stehen. Doch das ist längst nicht alles. Ich muss die wirklich wichtigen letzten Dinge ordnen. Ich muss Rückschau halten, mich aufrichtig fragen, wem ich Unrecht getan, wen ich, ob bewusst oder unbewusst, verletzt habe, versuchen, Missverständnisse, Streitigkeiten, Enttäuschungen zu klären. Um Verzeihung bitten und Kummer heilen. Natürlich kann man sich auf den Standpunkt stellen, man habe stets nach bestem Wissen und Gewissen gehandelt. Bis zu einem gewissen Grad mag das stimmen, aber mir reicht es nicht, nur mit mir selbst versöhnt zu sein. Ich möchte auch andere nicht im Groll zurücklassen.

Spuren der Liebe

Ich wünsche mir, dass Kindern, Enkeln und Freunden der Abschied von mir nicht allzu schwer fällt. Dass sie in Liebe zusammenhalten. Als der Tropenarzt Albert Schweitzer auf sein arbeitsreiches und erfülltes Leben zurückblickte, schrieb er: „Das einzig Wichtige im Leben sind die Spuren der Liebe, die wir Menschen hinterlassen, wenn wir gehen.“ Spuren der Liebe – das ist mein größter Wunsch. Und da es mit Wünschen allein nicht getan ist, muss ich mich hier und heute auf den Weg machen. Dann werde ich mit Gottes Hilfe eines Tages ein letztes Mal mit den Kindern vielleicht unser Lied „Locus iste“ singen und schließlich wie der Herr Ribbeck von Ribbeck unter einem Birnbaum ruhen.

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