Leben jetzt: Was bedeutet Gastfreundschaft für Sie?
Proya Basil: Die Idee, die hinter der Gastfreundschaft steckt, ist, dass es mehr als genug für alle gibt. Das finde ich großartig. Gastfreundschaft ist auch eine Art Übung. Sie zeigt uns, dass wir immer mehr tun können, als wir denken. Und schließlich gibt Gastfreundschaft ein Gefühl von Verbundenheit.
Lj: Was zeichnet einen guten Gastgeber aus?
Basil: Großzügigkeit und Offenheit. Ein guter Gastgeber ist immer darum bemüht, dass sich der Gast wohlfühlt. Wenn er sich zudem darüber im Klaren ist, dass ein Gast in gewisser Weise vom Gastgeber abhängig ist, weil er sich den gegebenen Umständen anpassen muss, fällt es dem Gastgeber leichter, dem Gast offen und großzügig zu begegnen.
Lj: Welche Erwartungen und Pflichten verbinden Sie mit Gastfreundschaft?
Basil: Ich bin in einer Familie groß geworden, die einen Hang zur Überbewirtung hatte, in der die Frauen, in dem Fall meine Mutter und meine Großmutter, die Rolle der Kümmerin übernommen haben, die alles unter Kontrolle haben wollte. Das Gleiche habe ich lange auch getan. Heute bin ich in der Lage, die Dinge gelassener zu sehen. Es ist zum Beispiel schön, nicht nur gemeinsam zu essen, sondern auch gemeinsam zu kochen, jedem mal die Gesprächsführung zu überlassen, zusammen die Reste abzuräumen und den Abwasch zu machen. All diese Tätigkeiten verbinden und führen dazu, dass man als Gemeinschaft enger zusammenwächst.
Lj: Mit Ihren Geschichten, die teilweise sehr persönlich sind, laden Sie den Leser ein. Würden Sie sagen, das ist auch eine Art Gastfreundschaft?
Basil: Ja, denn Nähe entsteht nur dann, wenn man Persönliches von sich preisgibt. Dazu zählen auch Dinge, die einen vielleicht verletzlich machen. Mit meinem Buch lade ich den Leser ein, an meiner Sicht auf die Welt teilzuhaben. Wenn wir unsere Erfahrungen teilen, wird unser aller Leben intensiver und tiefer. Bücher sind zudem eine gute Möglichkeit, andere Perspektiven kennenzulernen, ohne dafür die Welt zu bereisen. Durch mein Schreiben versuche ich eine andere Vision davon zu vermitteln, wie wir miteinander umgehen können und wofür wir stehen, wie wir Glück, Wohlergehen und Sicherheit teilen können.
Lj: Wie wichtig ist der kulturelle Austausch am Esstisch?
Basil: Gemeinsam zu essen ist eine sehr sinnliche Erfahrung. Gemeinsame Mahlzeiten bringen uns dazu, miteinander zu kommunizieren. Wenn man aus sehr unterschiedlichen Orten kommt, kann gemeinsames Essen wie ein Schmiermittel wirken. Begegnungen können entstehen, die man so nicht erwartet hat.
Mehr Fragen und Antworten finden Sie in der deutschen und österreichischen Ausgabe unserer Zeitschrift.