Erstellt von Michael Kreuzer SVD

Warum hat Gott den Menschen erschaffen? War er einsam, Pater Kreuzer?

Pater Kreuzer erklärt die Bibel: Warum hat Gott den Menschen erschaffen? War er einsam?
Pater Kreuzer erklärt die Bibel: Warum hat Gott den Menschen erschaffen? War er einsam?

War Gott womöglich einsam? Wir wollten von Pater Kreuzer wissen, weswegen er wohl Menschen erschaffen hat. | Foto: shutterstock

Nicht immer erschließt sich der Inhalt der Bibel beim ersten Lesen. Darum haben wir den Steyler Pater Michael Kreuzer gebeten, sie uns zu erklären.

Dass Gott den Menschen erschaffen hat, um seiner Einsamkeit zu entkommen, haben viele – auch bekannte Persönlichkeiten – tatsächlich gedacht. Der Dichter Jean Paul zum Beispiel legt Gott die Worte in den Mund: „Wahrlich, ich wollte, es gäbe Menschen … Ich so ganz allein, nirgend ein Pulsschlag, kein Leben. Nichts um mich und ohne mich nichts als nichts …“ – Gott war schrecklich fad. Gott musste den Menschen erschaffen, sonst wäre er noch vor Langeweile umgekommen. Dieses Gottes- und Menschenbild ist schrecklich unbiblisch. Übrigens auch die gegenteilige Annahme: Gott musste den Menschen erschaffen, sonst wäre er an seiner überbordenden Fülle gleichsam „geplatzt“, „erstickt“.

Gar nichts „musste“ Gott. Er hat die Welt, die Menschen in Liebe und aus Liebe erschaffen, aus freien Stücken, aus keiner Notwendigkeit heraus. Der Mensch wäre verzweckt, funktionalisiert, wenn es sich anders verhielte. Es gibt einen Schöpfungsmythos, der den Menschen verzweckt: „Atramhasis“ aus dem Mesopotamien des 17. Jh. v. Chr. Laut dieses Mythos waren die Götter in zwei Klassen geteilt: Die einen regierten, die anderen mussten für alle arbeiten. Eines Tages streikten die Arbeitergötter. Die oberen Götter gerieten in Panik. Da ersann der Gott Ea einen Ausweg: Er versprach, „Ersatzleute“ zu erschaffen. Sie sollten künftig den Arbeitsgöttern die Arbeit abnehmen. Damit sie nicht aufbegehren und keinen Aufstand beginnen könnten, werde er sie sterblich erschaffen. Sonst aber sollten sie klug und leistungsfähig wie Götter sein. Die Götter spendeten dem genialen Rettungsplan Beifall. Eas Idee wurde sofort in die Tat umgesetzt. So kam der Mensch auf die Welt.

Unser modernes Lebensgefühl, eine unveräußerliche Würde zu besitzen und nicht gebraucht = missbraucht werden zu dürfen, hat durchaus damit zu tun, dass unser Kulturkreis im biblischen Schöpfungsglauben verwurzelt war. Und den aus Mesopotamien längst überwunden hatte.

Ich erzähle noch eine Geschichte, diesmal eine jüdische. Als der Heilige, gepriesen sei er, kam, den ersten Menschen zu erschaffen, da bildeten die Dienstengel Gruppen und Parteien. Die einen davon sagten: „Er werde erschaffen!“, die anderen sagten: „Er werde nicht erschaffen!“ Die Liebe sagt: „Er werde erschaffen, denn er wird Liebeswerke vollbringen!“ Die Wahrheit sagt: „Er werde nicht erschaffen, denn er ist ganz und gar Lüge!“ Die Gerechtigkeit sagt: „Er werde erschaffen, denn er wird Werke der Nächstenliebe vollbringen!“ Der Friede sagt: „Er werde nicht erschaffen, denn er wird ganz und gar streitsüchtig sein!“

Da sprach der Heilige, gepriesen sei er, zu den Dienstengeln: „Ihr braucht nicht weiterdiskutieren. Ich habe ihn bereits erschaffen.“

Mehr kluge Texte der Steyler lesen Sie in der deutschen und österreichischen Ausgabe unserer Zeitschrift.

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