Wir lassen uns nicht die Laune verderben
Mit diesem und keinem anderen Vorsatz starten wir ins neue Jahr. Ab sofort bieten wir den Misslichkeiten dieses Daseins mit unerschütterlicher Heiterkeit die Stirn. Es ist höchste Zeit, denn die trübe Stimmung macht uns allen zu schaffen
Jetzt ist es amtlich: Österreicher sind die unfreundlichsten Menschen der Welt. Ähnlich missmutig sind nur noch Deutsche und Schweizer. Beiderlei Geschlechts natürlich. Zu den Dingen, die uns nach einer aktuellen Erhebung des Expat-Netzwerks „InterNations“ aufs Gemüt drücken, zählen 32 Prozent der Befragten das Wetter, 39 Prozent persönliche Missgeschicke und 45 Prozent Politiker sowie aktuelle politische Themen, allen voran die Inflation mit 64 Prozent. Und kein Licht am Ende des Tunnels. Im Gegenteil. Ständig ist irgendwas, das einem die Laune verdirbt. Sitzen zwei ältere Damen auf der Terrasse des Berghotels, die Luft herrlich klar, das Panorama grandios, sagt die eine: „Das Essen ist hier wirklich schrecklich!“ Darauf die andere: „Stimmt, und erst diese kleinen Portionen!“ So ist das Leben, voller Unbill, Elend und Gemeinheit. Und dann auch noch so schnell vorbei.
Unser Dasein ist herausfordernd, keine Frage. Aber andauernd aus der Haut fahren? Sich immerzu ärgern und schließlich resignieren? Das kann nicht gesund sein. Ansteckend ist die schlechte Laune überdies. Höchste Zeit, in unseren Herzen und Köpfen Raum für Heiterkeit, Gelassenheit und freundliche, helle Gedanken zu schaffen. Allein deshalb, weil es ja nichts ändert, wenn wir uns durch die Gegend raunzen und granteln. Im Prinzip wissen wir auch, wie’s geht. Alle Welt schwärmt nach den Ferien von der Freundlichkeit der Menschen im Süden, im Norden, auf der Insel und dem Land. So herzlich, unkompliziert, zugewandt, fröhlich …
Gute Laune befreit aus manch misslicher Lage
Getreu dem Motto „Ich entscheide selbst über meine Laune“ lassen wir uns nicht länger von äußeren Umständen herumschikanieren. Forscher sagen, dass Körperhaltung und Gangweise erhebliche Auswirkungen auf unsere Laune haben, ja sogar auf die Weltsicht. Dass sich die Stimmung auf Gang und Haltung auswirkt, wusste man schon, aber umgekehrt ist’s genauso. Auch ein freundlich-fröhlicher Umgang hebt nicht nur die Laune, er befreit nachweislich auch aus manch misslicher Lage. Schlechte Laune birgt erhebliches Konfliktpotenzial. Und dass es mit diesem Land bergab geht, wissen wir schon.
Dafür hat unlängst ein Journalistenkollege geworben. Ich finde die Idee großartig. Ab sofort bieten wir den Misslichkeiten dieses Daseins mit unerschütterlicher Heiterkeit die Stirn. Wie jener Schaffner im ICE, in dem sämtliche Toiletten kaputt waren und der den „lieben Reisenden“ bestens gelaunt mitteilte, das sei man ja bereits gewohnt, es habe aber auch gute Nachrichten: Neben den Toiletten sei auch das Bordrestaurant geschlossen. Nichts trinken, nicht aufs Klo, dahinter stecke ein kluger Kopf. Die Fahrgäste johlten.
Wir brauchen ein neues Mindset
Versuchen wir’s mal. Ein lustiger Spruch, ein kleiner Scherz, strahlendes Lächeln. Oder wenigstens ein kleines Augenzwinkern. Sonst lässt sich das alles doch gar nicht ertragen. Am besten legen wir uns gleich mal ein kleines Repertoire an Witzen und lustigen Sprüchen zu. So eine Art Rezeptsammlung für graue Tage. Das ist alles andere als Zeitverschwendung, bekanntlich ist Lachen gesund. Norman Cousins hat einen Bestseller darüber geschrieben, wie er seine Morbus-Bechterew-Erkrankung besiegte, indem er sich jeden Tag mehrere Stunden lang „Marx Brothers“-Filme ansah. Man muss seinen Hausarzt nicht durch Dick und Doof ersetzen, aber man kann bei nächster Gelegenheit mal die Humor-Abteilung der Stadtbibliothek durchstöbern. Entscheiden Sie sich für Bücher und Filme mit dem Prädikat „lustig“, „witzig“, „zum Kaputtlachen“.
In Palermo habe ich mal einen Verkehrspolizisten beobachtet, der bei 42 Grad im Schatten strahlend lächelnd über eine Kreuzung tänzelte, während links und rechts Autos an ihm vorbeischossen. Während er sich durch den Verkehr dirigierte, machte er kleine Luftsprünge, drehte sich, warf sich theatralisch in die Brust, um eine Autolawine aufzuhalten, die von links auf eine kleine, alte Dame mit Wäschekorb zurollte, schnappte sich die Dame nebst Korb und trug sie federnden Schrittes zur anderen Straßenseite. Kusshand, Tusch, Vorhang. Es war großartig. Wie gesagt, wir können das auch. Sie haben Zweifel? Nun, ein bisschen Mut braucht es schon.
Nur Mut!
Der Neurowissenschaftler Gregory Berns von der Emory-Universität in Atlanta, der sich seit Jahren damit befasst, wie man Stimmungen positiv beeinflussen kann, empfiehlt dringend, kleine Risiken in unseren Alltag einzubauen. Unsere miese Laune hänge nämlich auch damit zusammen, dass wir mit zunehmendem Alter immer weniger wagen. Gleichzeitig werden wir immer empfindlicher und launischer. Anders gesagt: Wir müssen die körperliche und die emotionale Muskulatur trainieren.
Dafür muss man keinen Fallschirmsprung machen, es reicht eine Erfahrung, die ein bisschen herausfordert, weil sie neu ist. Bloß kein sicheres Terrain! Gregory Berns sagt: „Sich mit seinen Unfähigkeiten und Unsicherheiten zu konfrontieren, nicht zuletzt gegenüber den Dingen, über die wir keine Kontrolle haben, macht emotional widerstandsfähig.“ Wer dann auch noch über sich lachen kann, wird toleranter und großzügiger, auch gegenüber den Schwächen seiner Mitmenschen und den Launen des Schicksals. Man lernt, das Leben zu meistern und zu lieben. Wenn das kein Grund für gute Laune ist, dann weiß ich auch nicht. Blicken wir der Gefahr unerschrocken und mit breitem Lachen ins Auge! Prost Neujahr!