Wo stehen Frauen in der Kirche – zwischen Berufung und Begrenzung?
Michaela Lampert, 48, arbeitet seit 2015 als Gleichstellungsbeauftragte im Erzbistum Freiburg. Sie wünscht sich nicht nur mehr Gleichberechtigung für Männer und Frauen am Arbeitsplatz – sie arbeitet jeden Tag daran
,Leben jetzt': Was sind Ihre Aufgaben als Gleichstellungsbeauftragte in einem Bistum – unterscheiden sie sich von denen im öffentlichen Dienst?
Michaela Lampert: Die beiden Aufgabenbereiche ähneln sich sehr, Ungleichheiten gibt es schließlich überall. Ich bin zum einen als Ansprechperson für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter da, die aufgrund ihres Geschlechts diskriminiert werden. Außerdem bin ich sehr viel in Bewerbungsverfahren involviert, vor allem bei Leitungsstellen. Dort achte ich darauf, dass die Gespräche fair verlaufen, auch im Nachhinein, wenn es um die Beurteilung der Eignung der Person geht. Bewerberinnen sagen mir hinterher oft, dass meine Anwesenheit ihnen gutgetan hat. Immerhin bin ich oft die einzige Frau in der Auswahlkommission.
Lj: Was wäre ein typisches Anliegen, mit dem die Angestellten zu Ihnen kommen?
Lampert: Bei Frauen haben die Fragen viel mit Familienpflichten zu tun: Welche Möglichkeiten habe ich während der Schwangerschaft, wann muss ich es meinen Vorgesetzten sagen, wie vorausschauend soll ich die Elternzeit planen? Ein weiteres Thema bei den Frauen ist die Frage, wie es ihnen in einer männlich geprägten Arbeitskultur ergeht. Aber auch Männer kommen zu mir: Häufig werden Anfragen bezüglich der Elternzeit, der Kommunikation mit Vorgesetzten sowie der hausinternen Regelungen dazu gestellt. Im Gleichstellungsplan, welcher im Jahr 2024 in Kraft getreten ist, wurde als Ziel formuliert, den Unterschied zwischen der Inanspruchnahme von Elternzeit und Pflegezeit von Männern und Frauen zu verringern. Dies ist ein bedeutendes Signal an alle Beschäftigten, dass eine gute Vereinbarkeit von Familienpflichten und Beruf vonseiten des Arbeitgebers als hohe Priorität angesehen wird und ein wichtiger Schritt hin zu mehr Geschlechtergerechtigkeit.
Lj: Was raten Sie den Frauen, die sich in dieser männlich geprägten Arbeitskultur schwertun?
Lampert: Wenn eine Frau das Gefühl hat, kein Standing zu haben, schaue ich, ob ich das in einem Gespräch klären kann oder es ein Coaching braucht. Außerdem habe ich vor sieben Jahren ein Frauennetzwerk gegründet, für Frauen in Führungspositionen und solchen mit einer hervorgehobenen Fachposition: das heißt Frauen ohne Führungsverantwortung, die aber für ein Thema stehen. Und die vernetze ich viermal im Jahr. Da gibt es Austausch und Workshops zu vielfältigen Themen wie Rhetorik, Medientraining oder Schlagfertigkeit.
Lj: Schreckt es hoch qualifizierte Frauen denn ab, in einer Kirche zu arbeiten, in der ihnen aufgrund ihres Geschlechts nicht alle Positionen offenstehen?
Lampert: Diese Frage der Karriere stellen sich vor allem Theologinnen. Im klassischen Verwaltungsbereich gibt es gute Aufstiegschancen und so könnte auch eine Frau bei uns im Bistum Diözesanökonomin werden. Dagegen natürlich Generalvikarin oder Bischöfin – da ist klar, dass diese Positionen in absehbarer Zeit nicht für Frauen vorgesehen sind. Inwieweit es einen statistischen Unterschied gibt zwischen Bewerbungszahlen von hoch qualifizierten Frauen auf Leitungsstellen innerhalb der Kirche im Vergleich zu staatlichen Stellen oder der freien Wirtschaft, kann ich nicht beantworten. Wäre aber spannend zu eruieren.
Lj: Welche Hürden haben Frauen immer noch?
Lampert: Es ist weiterhin eine Hürde, dass Frauen nicht alles werden können, weil sie Frauen sind, gerade in der Kirche. Und nicht nur dort müssen Frauen mehr dafür leisten, anerkannt zu werden. Es ist ein weiter Weg – und einer, an dem man dranbleiben muss. Es ist kein Selbstläufer, dass die Gleichberechtigung, die wir in weiten Teilen erreicht haben, bleibt.
Lj: Was wünschen Sie sich für Frauen in der Kirche?
Lampert: Ich wünsche mir für Frauen natürlich die hundertprozentige Geschlechtergerechtigkeit in der Kirche. Inklusive Priesterweihe und Bischöfin. Ich bin der festen Überzeugung, wenn diese nicht eintritt, findet Gleichberechtigung nicht richtig statt.