Erstellt von Michael Kreuzer SVD

Pater Kreuzer erzklärt die Bibel: Warum hat Jesus so viel in Gleichnissen gesprochen?

Jesus geht über das Wasser
Die Evangelisten Markus, Matthäus und Johannes berichten, Jesus sei über das Wasser des Sees Genezareth gegangen

Laut Bibel ist Jesus über das Wasser gegangen. War das nun ein Symbol? Oder tat er es wirklich? | Foto: AdobeStock

Nicht immer erschließt sich der Inhalt der Bibel beim ersten Lesen: Glaube kann kompliziert sein. Darum haben wir den Steyler Pater Michael Kreuzer gebeten, uns die Bibel zu erklären. Heute wollen wir wissen, was an der Bibel eigentlich symbolisch zu verstehen ist.

Was ist ein Symbol? Ist ein Strichmaxl, hinter dem es brennt und das zu einer offenen Tür rennt, ein Symbol? Meiner Definition nach nicht. Das ist ein Hinweisschild, dessen Bedeutung so ziemlich jeder erraten kann.

Bei den alten Griechen war ein Symbolon ein in Teile gebrochenes Erkennungs- und Beglaubigungszeichen unter Freunden (beispielsweise ein Ring), das nur diese bei einem späteren Treffen wieder vollständig zusammensetzen konnten.

Ein Symbol fügt einen Teil aus der sichtbaren Welt und einen Teil aus der unsichtbaren, geistigen, spirituellen Welt zu einem Sinnbild zusammen, z. B. einen Schatz im Acker und das Reich Gottes. Eine in Wehen liegende, gebärende Frau und ein Drache, der ihr Neugeborenes verschlingen will und der mit seinem Schwanz Sterne vom Himmel fegt, sind ein Symbol. Wir müssen es zu uns sprechen lassen, dann geht uns die Welt dahinter auf. Es gibt Leute, die sagen: „Das ist nur symbolisch gemeint.“ Das Wörtchen „nur“ wertet ab. „Nur symbolisch“ heißt für sie „nicht wirklich wirklich“. Diese Menschen lassen nur die vordergründig reale Welt als wirklich gelten, die Realität einer hintergründig realen, aber unsichtbaren Welt leugnen sie.

Ein Kuss ist ein Symbol der wirklichen Liebe zwischen zwei Menschen, aber doch nicht „nur“ ein Symbol. In der Eucharistie schenkt sich uns Gott real in den Symbolen von Brot und Wein. Er kann sich uns nicht anders als symbolisch schenken, das ist dann aber doch nicht „nur“ symbolisch! Wer sich nur symbolisch schenkt, ist ein Betrüger.

Was ist „mehr“?

Wenn Jesus „wirklich“ über das Wasser geht oder wenn er uns über Wege im Weglosen führt und uns lehrt, dort zu gehen, wo wir Angst vor dem Untergehen haben? Wenn Jesus „wirklich“ Wasser in Wein verwandelt oder wenn er ein freudloses, abgestorbenes Leben in Leben in Fülle verwandelt? Wenn Jesus Lazarus ins irdische Leben zurückruft oder wenn er ihm ewiges Leben schenkt, das kein Tod mehr rauben kann?

Eine Freundin hat geträumt, dass, wo immer sie ihre Tochter berührt, dieser Körperteil von ihr abfällt. Der Traum wollte warnen: Du beschneidest deine Tochter, du machst sie zum Krüppel! Der Traum kann seine Botschaft, seine Warnung nur ausdrücken, indem er hintergründig Wahres in vordergründig real-­irreales Geschehen umsetzt. Träume sprechen zu uns in Symbolsprache.

Jesus und die Bibel können ihre Botschaft vom Reich Gottes nur in Symbolsprache, in Gleichnissprache zu uns bringen. Wer sie wörtlich versteht und nicht spirituell, versteht sie nicht, denn er beraubt das vordergründig Erzählte um seine unsichtbare Tiefendimension, um die es eigentlich geht.

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Die Bibelstelle

Gleich darauf drängte er die Jünger, ins Boot zu steigen und an das andere Ufer vorauszufahren. Inzwischen wollte er die Leute nach Hause schicken. 23 Nachdem er sie weggeschickt hatte, stieg er auf einen Berg, um für sich allein zu beten. Als es Abend wurde, war er allein dort. Das Boot aber war schon viele Stadien vom Land entfernt und wurde von den Wellen hin und her geworfen; denn sie hatten Gegenwind. In der vierten Nachtwache kam er zu ihnen; er ging auf dem See. Als ihn die Jünger über den See kommen sahen, erschraken sie, weil sie meinten, es sei ein Gespenst, und sie schrien vor Angst. Doch sogleich sprach Jesus zu ihnen und sagte: Habt Vertrauen, ich bin es; fürchtet euch nicht! Petrus erwiderte ihm und sagte: Herr, wenn du es bist, so befiehl, dass ich auf dem Wasser zu dir komme! Jesus sagte: Komm! Da stieg Petrus aus dem Boot und kam über das Wasser zu Jesus. Als er aber den heftigen Wind bemerkte, bekam er Angst. Und als er begann unterzugehen, schrie er: Herr, rette mich! Jesus streckte sofort die Hand aus, ergriff ihn und sagte zu ihm: Du Kleingläubiger, warum hast du gezweifelt? Und als sie ins Boot gestiegen waren, legte sich der Wind. Die Jünger im Boot aber fielen vor Jesus nieder und sagten: Wahrhaftig, Gottes Sohn bist du.
(Matthäus 14,22-33)

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