Die Wundermacher: Die Hebamme
Willkommen im Leben: Für Renate Strasser, 50, aus Vorchdorf in Oberösterreich gibt es keinen schöneren und erfüllenderen Beruf. Als Hebamme hilft sie, neues Leben auf die Welt zu bringen
„Immer noch lässt es mich staunen, wenn ein Baby zur Welt kommt. Und jedes Mal spüre ich Dankbarkeit und Erleichterung, wenn es Mutter und Kind gut geht, sie sich anschauen und eine Bindung entsteht. Selbst nach 29 Jahren Berufserfahrung und trotz all meines Wissens über Medizin und die körperlichen Vorgänge bei einer Entbindung ist für mich eine Geburt etwas Außergewöhnliches. Die Wissenschaft kann vieles erklären. Ich bin überzeugt, dass darüber hinaus schöpferische Kräfte beteiligt sind.
Nach meiner Matura habe ich gleich meine Ausbildung an einem Tiroler Krankenhaus begonnen. Ich wollte einen Beruf ergreifen, der nah am Leben ist. Und näher geht es ja wirklich nicht. Außerdem kannte ich eine Hebamme, die mir viel von ihren Erfahrungen berichtete und mich beeindruckte. Mit ihr habe ich dann auch in einer freien Praxis gearbeitet und mich auf Hausgeburten spezialisiert.
Es hat mir gut gefallen, dass sich da sehr schnell eine persönliche Verbindung zu den werdenden Eltern aufgebaut hat. Ich habe es als meine Aufgabe gesehen, der werdenden Mutter und auch ihrem Partner unter der Geburt Vertrauen zu geben, für beide eine ruhige Atmosphäre zu schaffen. Und die werdende Mutter in ihrer Art des Gebärens zu bestätigen, Anregung und Orientierung zu geben, wenn dies nötig ist. Wenn ich für die Frau gut sorge, kommt das auch dem Baby zugute.
Fokus auf die schwangere Frau
Im Rückblick frage ich mich manchmal, wie ich es damals ausgehalten habe, ständig in Rufbereitschaft zu sein. Nachts aufzustehen, wenn das Telefon klingelt, weil es losgeht. Aber das war ganz selbstverständlich für mich, das habe ich nie infrage gestellt. Damals hatte ich allerdings auch noch keine Kinder.
Dann bekam ich meine beiden Töchter und weil die Schwangerschaften herausfordernd waren, schärfte sich mein Blick auf das Schwangersein selbst. Seitdem spreche ich mehr mit den werdenden Eltern über den Weg zu ihrem Kind, wie lange oder ob Kinderwunsch bestand. Und wie sie sich jetzt fühlen, welche Freuden, Ängste, Sorgen, Hoffnungen, Pläne sie haben. Mit diesen Gesprächen will ich den Fokus darauf lenken, dass das Kind, wenn auch noch nicht geboren, schon da ist, Teil der Familie. Dass es hört, fühlt, sich mit seinen Bewegungen äußert. Es braucht, so meine Überzeugung, diese innere Vorbereitung, damit das Baby in Liebe willkommen geheißen werden und der Start in ein Leben zu dritt gelingen kann. Es wird ja nicht nur ein Kind geboren, sondern auch eine Mutter, ein Vater und eine Familie.
Damit es der Familie gut geht
Inzwischen arbeite ich einige Stunden im Krankenhaus, mache ansonsten vor allem Nachsorge. Dazu gehört es nicht nur, den Gewichtsverlauf eines Kindes oder die Rückbildung der Gebärmutter zu kontrollieren. Ich versuche vor allem auch, den Frauen den Druck zu nehmen, dass sie nach der Geburt schnell alles im Griff haben müssen – das Stillen, den Schlafrhythmus des Babys, die eigene Figur und den Haushalt. Durch Schlafentzug und hohe Ansprüche kann sich rasch Überforderung aufbauen. Selbst ansonsten gut organisierte Frauen können dabei an ihre Grenzen kommen. Es ist für manche Frauen ungewohnt, ihre Familie, ihre Freunde um konkrete Hilfe zu bitten, wozu ich aber gerne ermutige und anrege.
Zurzeit habe ich täglich etwa drei bis fünf Visiten und begleite zusätzlich viele Mütter telefonisch, um ihre Anliegen oder Probleme zu besprechen. Ein Arbeitstag ist für mich beendet, wenn ich weiß, dass es den Familien gut geht. Mit einigen pflege ich seit vielen Jahren eine Freundschaft und ich habe schon Frauen entbunden, deren eigene Geburt ich damals begleitet habe.
Es gibt viele besondere Momente, an die ich gerne zurückdenke. Zu meinen schönsten Erinnerungen gehören die Autofahrten nach Hause in der Morgendämmerung, nachdem ich gerade einem Baby auf die Welt geholfen habe. Dann schaute ich gerne zu den ersten Lichtern in den Häusern und dachte: Ihr habt alle geschlafen, während ich ein Wunder erleben durfte.“