Die Wundermacher: Die Zauberin
Das Publikum verzaubern: Im Mittelalter wurde Zauberkunst mit Hexerei und Schwarzer Magie in Verbindung gebracht. Heute dient sie der Unterhaltung. Eine, die das Publikum damit in ihren Bann zieht, ist Michelle Spillner
Als „Weinkönigin“ mit Krönchen und Dirndl steht Michelle Spillner auf der Bühne. Vor ihr ein kleiner Tisch, darauf ein Glas, eine Flasche Wein und zwei Röhren. Sie stülpt eine Röhre über das Glas, hebt sie wieder hoch – aus dem Glas wurde eine Flasche. Das Gleiche macht sie mit der Flasche – die verwandelt sich in ein Glas. Immer schneller hantiert sie mit den Röhren, bis am Ende neun Flaschen Wein und ein Glas auf dem Tisch stehen. Das Publikum staunt, lacht, applaudiert.
Wie der Trick funktioniert, verrät Michelle Spillner natürlich nicht, Zauberkünstler behalten ihre Geheimnisse bekanntlich für sich. Die 57-jährige Frankfurterin ist eine der wenigen Frauen, die auf der Bühne das Publikum mit Zaubereien in ihren Bann zieht. Die meisten Magier sind Männer. Erst spät, mit Anfang 20, kam die damalige Zeitungsredakteurin und Pressefotografin zur Zauberei. Sie besuchte einen Magierkongress – und ihre Leidenschaft zur Zauberei war entflammt. Sie kaufte sich ein Fachbuch und Requisiten, fing an zu üben. Schließlich wurde sie in den Magischen Zirkel von Deutschland (MZvD) aufgenommen und begann nach einigen Jahren, an Zauberwettbewerben teilzunehmen. Einmal belegte sie den dritten Platz bei der deutschen Meisterschaft, einmal den sechsten bei der Weltmeisterschaft der Kartenzauberkunst.
Zaubern aus Liebe zur Reaktion des Publikums
Eigentlich war es nie ihr Plan, hauptberuflich Zauberkünstlerin zu werden. Aber dann kamen immer mehr Einladungen für Auftritte, wo sie das Publikum mit Kartenkunst, Mentalmagie und sogenannten Close-ups, die ganz nah bei den Zuschauern vorgeführt werden, unterhielt. Mit 40 entschied sie, daraus tatsächlich einen Beruf zu machen.
Was fasziniert sie so an der Zauberei, dass sie diesen Schritt gegangen ist? „Es ist vor allem die Reaktion des Publikums, die ich liebe. Sie erwarten nichts und dann staunen und freuen sie sich, wie das sonst nur kleine Kinder tun“, sagt sie. „Den Menschen kleine Wunder zu schenken, auch wenn sie erklärbar sind, ist für mich etwas ganz Besonderes.“ Und auch sie selbst wurde von der Zauberei in gewisser Weise verzaubert. „Sie hat mich selbstbewusster und stärker gemacht. Ich habe gelernt, nicht aufzugeben, auch wenn man mal scheitert.“
Zauberei ist harte Arbeit
Gebucht wird Michelle Spillner für Varietéshows und Firmenevents, hat auch ein eigenes Soloprogramm „Alles Lüge – echt wahr“. Da erscheint sie nicht nur als Weinkönigin, sondern verbrennt einen Geldschein, der später in einer Zigarette wieder auftaucht. Oder sie lässt das Publikum aus einer Tüte einen Schlüssel ziehen. Einer davon passt zu einer Schatulle. Wird diese dann von dem Zuschauer oder der Zuschauerin geöffnet, liegt darin ein Zettel. Auf dem steht die exakte Beschreibung dieser Person.
Was so leicht aussieht, benötigt viel Arbeit und Vorbereitung. „Eine neue Nummer zu entwickeln ist wie Kochen. Man nimmt neue Zutaten oder mischt sie anders.“ Besonders anstrengend sei das Lesen von Tricks in Zauberbüchern. „Die sind so kompliziert wie Gebrauchsanleitungen für technische Geräte.“ Viel Zeit verbringt sie in Baumärkten, denn notwendige Requisiten muss man oft selbst herstellen. Aber manuelles Geschick ist nicht alles. Zu einem Programm gehören auch gute, humorvolle Texte sowie eine spannende Dramaturgie. „Selbst wenn ich den Trick beherrsche, braucht es etwa 50 Vorführungen, bis die Nummer wirklich sitzt.“ Und wenn ein Trick nicht gelingt? „Das passiert natürlich. Aber das Gute ist, dass das Publikum es nicht merkt, da es ja nicht weiß, was man eigentlich vorhatte.“
Die Zauberkünstlerin
Wenn Sie sich auch von Michelle Spillner verzaubern lassen möchten, finden Sie sie hier.