Wie die Steyler Flüchtlingen in Uganda Hoffnung geben
Drei Lehmhütten ohne Möbel, ein kleines Beet und vier Kilo Lebensmittel pro Person und Monat: So lebt Lona, 46, mit ihren Kindern im ugandischen Flüchtlingscamp Bidi Bidi. Seit sieben Jahren, mit 210.000 Landsleuten. Den Geflüchteten aus dem Südsudan fehlt es an allem. Hoffnung geben Lona allein die Steyler
Alles, was Lona geblieben ist, sind ihre sieben Kinder. Und ihr Glaube. Er hilft ihr, den Hunger zu ertragen, den eine knapp bemessene Mahlzeit am Tag nicht stillen kann. Und das Weinen ihrer Kinder, wenn sie von Albträumen geplagt werden. Der Glaube hilft ihr, Erinnerungen zu verarbeiten. An die Angst, von Milizen vergewaltigt oder ermordet zu werden. An die vielen toten und verstümmelten Menschen, die sie auf ihrer Flucht aus dem Südsudan sah. Der Glaube hilft ihr zu danken. Dafür, dass sie in Uganda aufgenommen wurde. Und für die Hilfe der Steyler Missionare und Schwestern. „Ohne sie würde ich verzweifeln.“
Seit sieben Jahren lebt die jetzt 46-jährige Lona, die alle Mama Lona nennen, in Bidi Bidi im Norden Ugandas. Etwa 210.000 Menschen, die vor dem Bürgerkrieg im Südsudan geflohen sind, wohnen hier – meist Frauen und Kinder. Bidi Bidi ist eines der größten Flüchtlingslager der Welt. Ein schmaler Pfad durch übermannshohe Hirsepflanzen führt zu Mama Lonas Zuhause. Wie alle Geflüchteten hat sie bei ihrer Ankunft ein Areal von 30 mal 30 Metern zur Verfügung gestellt bekommen. Darauf baute sie nach und nach drei Lehmhütten. Eine davon dient als Küche, in den anderen beiden schlafen sie und die sieben Kinder – drei Jungen und vier Mädchen im Alter von sieben bis 16 Jahren. Betten haben sie nicht, die Latrine muss sich die Familie mit anderen Geflüchteten teilen.
Lona steht auf, um einen Streit zwischen ihren Kindern zu schlichten. Sie prügeln sich um einen Topf mit zwei unreifen Süßkartoffeln. „Der Hunger und das Nichtstun machen sie aggressiv“, sagt die alleinerziehende Mutter. Wenn sie über ihre Kinder redet, wird die so stark anmutende, zupackende Frau ganz weich: „Ihr Leben, ihre Zukunft sind für mich das Wichtigste.“ Doch Bildung, die ihnen eine Perspektive geben könnte, bekommen sie in Bidi Bidi nicht. „Die Schulen sind überfüllt, Hunderte Kinder sitzen in einer Klasse, oft fällt der Unterricht ganz aus.“ Sie nimmt ihre bunte Haube ab und zeigt die frühzeitig ergrauten Haare. „Wegen der Sorgen um meine Kinder kann ich nachts nicht schlafen. Manchmal frage ich mich, warum Gott uns das angetan hat.“
In Bidi Bidi versorgen die Steyler Missionare die Geflüchteten mit dem Nötigsten: mit Kleidern, Schuhen, Lebensmitteln - und Seelsorge. 30 Kirchen aus Stein und Lehm haben die Steyler inzwischen in Bidi Bidi errichtet. Von früh bis spät sind die sechs Schwestern und vier Missionare, die eng zusammenarbeiten, mit dem Auto auf schlechten Straßen unterwegs, um die weit voneinander entfernten Gemeinden zu besuchen, Gottesdienste zu halten, pastorale und soziale Unterstützung zu geben. „Und doch können wir hier nie genug tun. Wir fühlen uns oft hilflos, wenn die Menschen vor uns stehen und weinen“, sagt Schwester Benedicta Kiro SSpS.
Steyler ermöglichen Ausbildung und Schule
Für Mama Lona sind die Steyler die wichtigsten Ansprechpartner im Lager. „Weil sie mir Hoffnung geben durch Gebete und Gespräche. Und weil sie helfen.“ Die Schwestern, darunter eine Ärztin, versorgen Kranke und vermitteln in Familienkonflikten. Und sie bieten Frauen berufsbildende Kurse in den Bereichen Landwirtschaft, Nähen, Frisieren und Computer an. Zum Abschluss schenken sie ihnen eine Nähmaschine oder Saatgut. „Die Menschen brauchen dringend Arbeit, das ist eine Frage der Menschenwürde. Dank der Kurse haben sie die Möglichkeit, sich ein bisschen unabhängiger von den Hilfsorganisationen zu machen, vielleicht sogar etwas Geld zu verdienen“, sagt Schwester Benedicta, die demnächst auch ein Ausbildungsprojekt für Teenager-Mütter beginnen wird. Mit dem Geld, das Mama Lona mit dem Übersetzen der Predigt von Englisch in Bari, die hier meistgesprochene Sprache, verdient, hat sie sich ein kleines Feld am Rand des Lagers gemietet. Simsim, Sesam, baut sie dort an, so wie sie es im Landwirtschaftskurs gelernt hat. „Der Boden ist sehr steinig und die Arbeit anstrengend“, sagt sie. „Aber immerhin kann ich für meine Kinder nach der Ernte eine leckere Paste machen.“
Zur Ruhe kommt Mama Lona in der Steyler Kirche „Immaculate Heart of Mary“. Jeden Tag geht sie zum Beten dorthin, oft sind ihre Kinder dabei. „Für die Kinder und Jugendlichen in der Gemeinde machen die Missionare viel“, sagt Mama Lona dankbar. „Sie geben Bibelstunden, sprechen mit ihnen über Werte, den Glauben und die Probleme, die sie haben. Meine Kinder freuen sich auch immer auf den Sport, das Singen und Musizieren, das in der Kirche angeboten wird.“
Mehr zur Arbeit der Steyler Missionare erfahren Sie in unserer Zeitschrift.
Der Südsudan: kein Frieden in Sicht
Der Politikwissenschaftler Thomas Schmidinger von der Universität Wien über das Erbe des Kolonialismus und warum das junge Land nicht zur Ruhe kommt
„Dass der Süden sich 2011 vom Sudan abspaltete, kam nicht von ungefähr, es hat eine lange Vorgeschichte. Die britische Kolonialverwaltung, die gegen Ende des 19. Jahrhunderts begann, trug bereits zur Marginalisierung des Südens bei. Im dominanten, muslimisch-arabisch geprägten Norden saß die Wirtschafts- und Bildungselite, der Süden war abgehängt. Als der Staat 1956 in die Unabhängigkeit entlassen wurde, war er bereits tief gespalten. Es begann ein jahrzehntelanger Bürgerkrieg – zwischen unterschiedlichen Guerillabewegungen im Süden und der jeweiligen Zentralregierung. Anteil daran hatten auch die Entdeckung großer Erdölvorkommen im Süden und die Einführung der Scharia, gegen die der Süden sich wehrte. Vermutlich starben über zwei Millionen Menschen.
Die USA, aber auch Hollywoodstars wie George Clooney forcierten die Unabhängigkeit des Südsudan, die nach einer Volksabstimmung beschlossen wurde – obwohl es an funktionierenden staatlichen Strukturen fehlte. 2013 eskalierte der Machtkampf zwischen dem Präsidenten Salva Kiir und seinem Stellvertreter Riek Machar, es begann erneut ein blutiger Bürgerkrieg. Rund 400.000 Menschen sollen direkt oder indirekt durch diesen Konflikt ums Leben gekommen sein, vier Millionen wurden vertrieben. 2018 einigte man sich auf einen Waffenstillstand. Doch der Staatsapparat ist weiterhin nicht funktionsfähig und korrupt. Gewalt und Menschenrechtsverletzungen nehmen kein Ende.“
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