Steyler trauern um Papst Franziskus

Papst Franziskus umringt von Priestern
Auch die Steyler gedenken des verstorbenen Papstes

Um Papst Franziskus herrscht große Trauer | Foto: Filippo Monteforte/AFP

Der Tod von Papst Franziskus am 21. April 2025 hat weltweite Trauer hervorgerufen. Steyler Missionare erinnern sich dankbar an Begegnungen, das Pontifikat und den Menschen Franziskus

Pater Heinz Kulüke SVD war von 2012 bis 2018 Generalsuperior der Steyler Missionare. Papst Franziskus begegnete er zwei Mal, einmal auf den Philippinen, einmal am 25. November 2016

Ein Mitbruder, der anderen Mitbrüdern begegnete. Er fühlte sich unter Mitbrüdern zuhause – ähnlich erging es den Leitern der Orden. Auch wir fühlten uns beim Papst zuhause, wie bei einer Konsultation mit einem älteren Bruder, einer Mutter oder einem Vater.

Der Papst war ein Beispiel für authentische Führung. Die einfache Sprache, die er verwendete, wenn er auf Italienisch sprach, wurde durch freundliches Lächeln und Gesten begleitet, die fast jeder verstehen konnte. Diese Einfachheit umfasste auch Selbstverständlichkeiten, die längst keine Selbstverständlichkeiten mehr waren.

Der Papst sprach mit Autorität – eine Autorität, die nicht aus seinem Amt stammte, sondern aus seinem authentischen Lebensstil. Er erklärte seine Aussagen anhand von Beispielen aus seiner großen Erfahrung als Seelsorger. Der Papst genoss es, Menschen zu begegnen. Er war ein echter Segen für die Kirche und das Ordensleben.

In Vorbereitung auf die Begegnung wurden wir gebeten, Fragen zu formulieren. Meine Frage lautete, wie er mit den Spannungen umging, die zwangsläufig entstanden, wenn man Dinge ändern wollte, die einfach nicht mehr tragbar waren – eine der großen Herausforderungen für alle Menschen in Leitungspositionen, auch für mich. Ich war mir nicht sicher, ob man dem Papst eine solche Frage stellen konnte.

Von den zahlreichen Fragen, die aufgelistet wurden, und unter Berücksichtigung der begrenzten Zeit wurde letztlich diese Frage ausgewählt. Papst Franziskus gab daraufhin eine Antwort, die mir und sicherlich auch vielen anderen Menschen in Führungspositionen immer wieder hilfreich war.

Der Papst sprach von einer Erfahrung, die er als „tiefen Frieden“ bezeichnete. Von Anfang an, bei der Wahl, stand er ganz unten auf der Liste, erzählte der Papst. Doch plötzlich rückte er auf. Als er dann schließlich gewählt wurde, sagte er, fühlte er sofort diesen tiefen inneren Frieden – einen Frieden, den er als Geschenk erhalten hatte und den er pflegte. Er schlief jeden Tag sechs Stunden, feierte täglich die Messe und betete den Rosenkranz. Dann fügte er scherzhaft hinzu, dass er keine Beruhigungsmittel nahm.

Dieser Frieden war ein besonderes Geschenk, das er von Gott erhalten hatte. Er hielt inne, als ob er sich fragte, warum, und als ob er seine Dankbarkeit ausdrücken wollte. Es war ein tiefer Frieden, der ihn weitermachen ließ – besonders in sehr schwierigen Momenten, in denen er mit menschlichen Beziehungsproblemen konfrontiert war, die er als „Kreuze“ bezeichnete.

Indem er Gott nahe war und sein ganzes Vertrauen in ihn setzte, hatte der Papst dieses besondere Geschenk des Friedens erhalten, das den entscheidenden Unterschied in der Art und Weise machte, wie er lebte, seinen Glauben teilte, erkannte, Entscheidungen traf und handelte. Die Begegnung mit diesem Papst hat vielen von uns in Leitungspositionen – auch mir – geholfen, diesen besonderen Dienst zu leben.  


Bei der zweiten Begegnung war der Papst in Tacloban/Leyte, am 17. Januar 2015. Ich war auf Dienstreise in den Philippinen. Die Steyler, die Arnold Janssen Familie einschließlich aller Förderinnen und Förderer haben einen einzigartigen Beitrag beim Wiederaufbau der Insel Leyte (im Süden der Philippinen – eine Nachbarinsel von Cebu, wo die Steyler in Tacloban ein Krankenhaus und eine Schule haben), die durch einen Super-Taifun verwüstet wurde, geleistet. Die Anzahl der Toten ist bis heute nicht bekannt. Man sprach von über 7.000 Menschen. Der Papst machte gerade diese Insel Leyte und die leidenden Menschen Ziel seiner Pilgerreise.

Dies sind meine Gedanken und Reflexion während und nach dem Besuch von Papst Franziskus, einem bewegenden Menschen und Seelsorger:

Trotz schlechtem Wetter sind so viele Menschen gekommen: 150.000 sollen es gewesen sein, die zum Gottesdienst versammelt waren, und noch viele mehr, die außerhalb des Sicherheitsbereichs warteten. Menschen, die viel Leid erlebt hatten, bei dem vielleicht stärksten Taifun, den es jemals gegeben hat. Die Bilder von der ungeheuren Verwüstung, den mehr als 7.300 Toten und noch viel mehr Vermissten ließen sie nicht mehr los... Sie wollten den Papst sehen, hören - und auch denjenigen, der sie mit seinen Worten und seiner Gegenwart berührte, und den sie, wenn möglich, selber berühren konnten. Sie wurden nicht enttäuscht: Wie immer suchte der Papst in Tacloban die Nähe zu den Menschen.

An derartigem Leid ging keiner vorbei. Ich habe es selbst gesehen und erlebt, viele Male, schweigende Betroffenheit, tiefes Mitgefühl und den Anruf des Gewissens, die Menschen in derartigen Not nicht alleine zu lassen.

Die Betroffenheit des Papstes war offensichtlich. Selbst die Atmosphäre stimmte bei dem erneut sich anbahnenden Taifun mit Signalstärke II; der Wind, der Regen, die vielen Menschen in Regenjacken... Der Papst trug die gleiche Regenjacke aus dünnem Plastik wie die Leute. Er bat die Menschen, in seiner Muttersprache Spanisch sprechen zu dürfen - und legte die geschriebene Predigt beiseite: Er wollte aus dem Herzen sprechen, denn nur so konnte er die Menschen wirklich erreichen. Die Worte waren einfach und leicht zu übersetzen.

„Als ich die Katastrophe von Rom aus gesehen habe“, sagte der Papst, „hatte ich das Gefühl, dass ich da sein müsste ...“ „Ich bin hier, um bei euch zu sein ...“ Die Menschen, die stunden- und teilweise tagelang auf den Papst gewartet hatten, verstanden das. Die Botschaft, die alle mit nach Hause nehmen werden, war einfach ... „Jesus ist der Herr“ ... „Er wird uns nicht allein lassen...“ „Menschlich gesehen, dürfen wir klagen... Doch es ist wichtig, nicht zu vergessen, dass Gott da ist... Gott weint mit euch... „Er geht den Weg mit euch...“

Der Papst verstand die Menschen. „So viele von euch haben alles verloren... Ich weiß nicht, was ich euch sagen kann, aber der Herr weiß es. Viele haben so viele liebe Angehörige verloren... Wo wir so viel Leid erfahren, können wir nur noch die Hand der Mutter halten, wie das Kind, das Angst hat...“

Dann lud er die Menschen zum Schweigen ein... mit Blick auf den Mann am Kreuz und seine Mutter. Wo Worte fehlten, sprach das Schweigen... Das schweigende Gebet beendete die Predigt. Er sprach aus dem Herzen und ich bin sicher, dass die Menschen das verstanden haben. Nur so ging der Weg nach vorne weiter. Er sagte den Menschen die Gegenwart Gottes gerade in ihrem Leiden zu ... Gott ist da, wo nichts mehr ist und trägt ... „Wir haben einen Gott, der mit uns weint und den Weg in die schwierigsten Situationen des Lebens mit uns geht.“

Die Kamera schwenkte in die Menge: Die Menschen hatten die Botschaft des Papstes verstanden. Man konnte es in ihren Gesichtern sehen. Viele weinten...

Auch der Papst war betroffen... Seine betroffene Gegenwart war sicherlich genau so wichtig wie seine Worte. Das wird den Menschen Mut machen, den immer noch schwierigen Weg vierzehn Monate nach dem Taifun weiterzugehen… Sein Besuch ist ein großer Beitrag, um gefallene Menschen wieder auf die Füße zu stellen. Selbst bei der Erfahrung derartigen Leids gab es keinen anderen Weg, als den nach vorne... Eine einfache Botschaft, die sicherlich viele Menschen in Tacloban, auf den Philippinen und weltweit, die ähnlich viel Leid erfahren haben, verstehen werden.

Danken wir Gott für diesen Papst. Er ist anders und sicherlich Gott gesandt in einer Welt, die dabei ist, etwas ganz Wichtiges zu vergessen... den Menschen, die Natur und vielleicht sogar Gott selber, das Geheimnis unserer Existenz... Er benennt die wirklichen Probleme wie Korruption und menschengemachtes Leid furchtlos und fordert die Verantwortlichen auf, zu handeln. Die Menschen glauben ihm seine Worte weil sie mit seinem Leben und Tun übereinstimmen... Vielleicht können das auch andere Menschen in Leitungspositionen von ihm lernen...

Alle, die dabei waren, werden die Begegnung mit Papst Franziskus nicht vergessen und den Weg in die Zukunft hoffnungsvoll weitergehen. Auch für den Papst wird die Begegnung mit diesen Menschen unvergesslich bleiben... Die Menschen sind für ihn wichtig und deshalb ist dieser Papst so wichtig für die heutigen Menschen.

Und noch was: Es ist einfach bewegend, wie der Papst mit den Menschen umgeht und wie sie mit ihm umgehen dürfen. Genau das können wir als Missionar/innen von ihm lernen.

Ganz einfach ein sympathischer Mensch, der vieles bewegt hat und viele Menschen zutiefst berührt hat. Ich bin einer davon.

Neben der Trauer bleiben eine tiefe Stille und vor allem eine große Dankbarkeit.


Die Steyler Missionare fühlten sich in der Sorge um die an den Rand Gedrängten und die Schöpfung mit Papst Franziskus eng verbunden. Ihre Trauer bringt der Provinzial der Mitteleuropäischen Provinz, P. Christian Stranz SVD zum Ausdruck.

„Auch wir Steyler sind über den überraschenden Tod von Papst Franziskus traurig. Aber für mich ist es auch ein großes Geschenk, dass Franziskus am Ostersonntag noch den Segen ‚Urbi et Orbi‘ spenden, sowie eine Begegnung mit den Menschen am Petersplatz erleben und dann am nächsten Morgen, ohne zusätzlichen, langen Leidensweg, heimgehen konnte.“

Pater Stranz hob in seiner Stellungnahme seine große Verbundenheit mit Papst Franziskus hervor: „Ich habe mich mit dem Papst innerlich sehr verbunden gefühlt, zumal wir als Gesellschaft des Göttlichen Wortes ja auch die Nähe zu den an den Rand Gedrängten suchen, die Stimme für die Migranten erheben und die Schöpfung, wie er es uns in Laudato Si ans Herz gelegt hat, schützen und bewahren wollen.“

Papst Franziskus habe Maßstäbe gelegt, denen die Steyler Missionare sich weiterhin verpflichtet fühlen. „Seine Bescheidenheit und Ferne von jedem eitlen Klerikalismus bleiben uns Kompass für die Zukunft einer Kirche, die bei den Menschen ist, und bei der die Barmherzigkeit und das Verständnis jenen gegenüber, die die hohen Moralvorstellungen der Lehre nicht 1:1 erfüllen, in der pastoralen Sorge an oberster Stelle steht. Möge Papst Franziskus einen Nachfolger bekommen, der diese Linie weiterführt“, wünscht sich der Provinzial der Mitteleuropäischen Provinz.

Pater Christian Stranz erinnerte sich mit Dankbarkeit an die persönliche Begegnung mit Franziskus bei der Privataudienz für die Teilnehmer des Generalkapitels der Gesellschaft des Göttlichen Wortes (SVD) im Juni des Vorjahres. Seid „Friedensstifter und Propheten der Hoffnung“ appellierte Papst Franziskus bei dieser Gelegenheit an die Steyler Missionare. Als „Experten der Interkulturalität“ forderte er sie dazu auf, in einer verwundeten Welt, Frieden, Hoffnung und Synodalität zu leben und sich besonders der Armen, Migranten, diskriminierten Frauen, Kindern und Ausgegrenzten anzunehmen.


Der Provinzial der deutschen Steyler Missionare, Pater Peter Claver Narh SVD, hat Papst Franziskus zwei Mal getroffen. Er berichtet über seine Begegnung mit dem Papst und was die Steyler mit Franziskus verbindet:

„Ich bin natürlich – wie die meisten von uns – tief betroffen, dass dieser besondere Mensch verstorben ist. Ich hatte das Glück und die Ehre, Papst Franziskus zweimal zu begegnen. Das erste Mal beim 18. Generalkapitel der Steyler Missionare in Rom 2018 - und das zweite Mal erst im vergangenen Jahr beim 19. Generalkapitel: Während einer Privataudienz für die Kapitulare durfte ich seine beeindruckende Menschlichkeit erleben. Franziskus war gerade von einer langen Reise zurückgekehrt und musste noch ein paar Termine erledigen, bevor er uns empfangen konnte. Wir waren erstaunt, denn er schien – trotz seines hohen Alters und der Reisestrapazen – gar nicht müde zu sein. Im Gegenteil: Er wirkte erstaunlich fit, gab jedem Steyler Mitbruder die Hand und nahm sich sogar die Zeit, mit einigen von uns ein paar Worte zu wechseln. Ich fand es ganz besonders beeindruckend zu beobachten, dass sein Lächeln nicht einfach nur professionell und aufgesetzt war, sondern es wirkte ganz und gar authentisch. Papst Franziskus war ein Mensch, der auf alle Menschen zugegangen ist, weil sie ihm wichtig waren. Auch an der Amazonas-Synode 2019 in Rom kann man erkennen, dass ihm besonders die Menschen am Rande der Gesellschaft, die Ausgestoßenen und Indigenen wichtig waren. Ihre Meinung bedeutete ihm etwas. Insofern sind wir uns auch da sehr nahe, denn genau das ist uns Steylern in aller Welt ein Anliegen: für die Menschen, denen es nicht so gut geht und die unsere Hilfe brauchen, da zu sein.“


Der Steyler Kardinal Ladislav Német SVD stand in engem Kontakt mit Papst Franziskus. Hier erinnert er sich an den verstorbenen Pontifex:

„Papst Franziskus war ziemlich präsent in meinem Leben. Oder ich in seinem, wie auch immer man das betrachten möchte. Von 2010 bis 2019 war ich Präsident von Coetus Internationalis Ministrantium, einem Bund von Ministrantinnen und Ministranten in Europa, und während meiner Amtszeit haben wir den Papst jedes Mal auf dem Petersplatz getroffen. Wir begrüßten uns immer herzlich. Auch habe ich ihm bei diesen Anlässen immer wieder Mitglieder des Bundes vorgestellt. Als Bischof und als Präsident der Bischofskonferenz bin ich dem Papst natürlich auch im Rahmen der Ad-limina-Besuche* begegnet. Da ich seit 2021 auch Vizepräsident vom Rat der europäischen Bischofskonferenzen bin, gab es sehr regelmäßig Treffen, bei denen wir über Europa, unsere Pläne, was wir in der Welt machen, gesprochen haben.  

Für mich persönlich war die Ernennung zum Kardinal durch Franziskus im Dezember vergangenen Jahres ein außerordentlicher Moment, hängt sie doch allein von seiner Gnade ab. Trotz unserer häufigen Begegnungen waren ich und wir alle sehr überrascht, als Franziskus auf dem Petersplatz meinen Namen nannte. Als Titelkirche in Rom wies er mir die Kirche Santa Maria Stella Maris zu.  

Was Franziskus für mich in besonderer Weise auszeichnete? Er war ein sehr warmherziger Mensch, voller Lebensfreude und mit viel Humor. Er scherzte gern, machte, wenn es möglich war, gern Witze, und wenn man selbst einen erzählte, hörte er zu und lachte herzlich. Überhaupt war er ein sehr offener, zugewandter, aufmerksamer Gesprächspartner. Und immer hundertprozentig präsent. Ob bei offiziellen oder inoffiziellen Treffen. Er schaute dich an, und du hast gewusst, ‚er meint wirklich mich‘. Das war eine ganz besondere Gabe von ihm, eine, die nicht jeder besitzt.

Auch war er auf jedes Treffen sehr gut vorbereitet. Natürlich hatte er ein gutes Team, aber unabhängig davon wusste er in der Sache stets sehr gut Bescheid. Er kam gern direkt zur Sache und machte stets deutlich, dass es hier nicht um irgendwelche Kleinigkeiten geht. „Geh zu den Menschen und verkünde das Evangelium“, war ein Satz von ihm, und nicht zuletzt in diesem Punkt hatten und haben wir als Steyler viel mit Franziskus gemeinsam. Denn im Kern meinte er, dass wir mit den Menschen in Kontakt kommen und dafür auch unsere Sicherheit, unsere Heimat zurücklassen müssen, so wie wir es in der Mission tun.  

Die Botschaft der Steyler ist, das Wort Gottes in der heutigen Welt so zu verkünden, dass die Menschen dieses Wort verstehen und zulassen, dass das Wort in ihnen zu wachsen beginnt. Wir als Kardinäle sind nicht die, die die Menschen bekehren. Das ist der liebe Gott. Wir sind einfach Diener des Wortes.  

Franziskus sprach oft von einer Kirche der Armen oder für die Armen. Diese Kirche ist auch bei allen Bemühungen der Steyler sehr sichtbar. Heute gibt es viel bessere Arbeitsbedingungen, aber vor fünfzig Jahren waren wir noch ‚Frontliners‘, da gab es in den Missionen weder Strom noch fließendes Wasser. Mit den Menschen leben, für die Menschen leben, lautet die Botschaft der Steyler, und das lag auch Franziskus ganz besonders am Herzen.“

*Bei den sogenannten Ad-limina-Besuchen übergibt jeder Bischof alle fünf Jahre einen persönlichen Bericht über den Zustand seiner Diözese


Der Steyler Pater Franz Helm erinnert sich an Papst Franziskus. Für den Koordinator für die Europa-Zone der SVD war der Papst, den er drei Mal getroffen hat, eine Wohltat:

'Leben jetzt': Welche Bedeutung hatte der Papst für Sie persönlich?
Franz Helm SVD:
Papst Franziskus war eine Wohltat für mich. Das Klima in der Kirche wurde durch seine Art, sie zu leiten, stark verändert. Viel offener, den Menschen und den Weltproblemen zugewandter, toleranter und menschlicher. Ich denke, wir Steyler Missionare waren da sehr auf einer Wellenlänge mit ihm. Dieses andere kirchliche Klima der Freiheit und des Dialoges hat Auswirkungen darauf, wie ich öffentlich Stellung beziehe oder auch, wie ich Gottesdienst feiere. Franziskus hat sehr auf Mitverantwortung und ein Aufbrechen hin zu den Rändern gedrängt, und das hat er selbst vorgelebt, bis zu seinem letzten Tag, als er am Ostersonntag über die Absperrungen hinaus fahren wollte auf dem Petersplatz, um den Menschen zu begegnen. Außerdem hat der verstorbene Papst wichtige Prozesse in Gang gebracht,  von denen ich mir viel erwarte und die hoffentlich noch viele gute Früchte bringen.

Lj: Wofür stand er?
Helm: Eines seiner Lieblingsworte war die "Freude". In den Titeln seiner Lehrschreiben kommt das Wort häufig vor: "Amoris Laetitia", oder "Evangelii Gaudium". Das Evangelium als Frohbotschaft für die Armen und für die ganze Schöpfung, das war ihm wichtig.
Er hat ein Jahr der Barmherzigkeit ausgerufen, im Jahr 2015. Er eröffnete es in der Zentralafrikanischen Republik, in einem von bewaffneten Konflikten geplagten Land. Er wusch Strafgefangenen die Füße, und rief dazu auf, andere nicht zu verurteilen.
Die Schöpfungsverantwortung und die vorrangige Option für die Armen hat er gleichermaßen betont ins einem epochalen Lehrschreiben "Laudato Si". Und er hat immer wieder den Kontakt zur Arbeiterbewegung und zu zivilgesellschaftlich Engagierten gesucht, in ihrem Einsatz für die Rechte und die Würde der Menschen. Er hat Ursachen von Unrecht und Leid beim Namen genannt, wenn er Worte wählte wie: "Diese Wirtschaft tötet!" und er hat zu einer Veränderung ungerechter Strukturen aufgerufen.
Er stand auch für eine scharfe Kritik und Verurteilung des Klerikalismus und von Amts- und Machtmissbrauch in der Katholischen Kirche, für eine stärkere Beteiligung von Frauen an Leitungsverantwortung und für einen Umbau des Kardinalskollegiums, in dem mittlerweile auch Erzbischöfe aus entlegenen Weltgegenden vertreten sind. So hat er den Rand in die Mitte des Bewusstseins und des Mitentscheidens in der Katholischen Kirche geholt.
So viel wäre noch zu nennen: Sein offener und dialogbereiter Umgang mit Medien, der Dialog mit Vertretern anderer Religionen, das entschiedene Eintreten für den Frieden und sein Gebet darum, usw.

Lj: Was war er für ein Mensch?
Helm: Er war und bleib einfach und bescheiden. "Ich bin ein Sünder", bekannte er im ersten Interview als Papst. Er ging öffentlich beichten, und Bilder davon kursierten in den Medien.  Er war ein unermüdlicher Arbeiter, ein Mann mit einem großartigen Gespür für eindrückliche Zeichen, ein Prediger, der in einfachen, klaren Bildern das Wesentliche auf den Punkt bringen konnte. Er war spontan, legte vorbereitete Reden zur Seite und stellte sich dem Gespräch, auch mit Kindern und Jugendlichen. Er sprach mit Missbrauchsopfern, bat im Namen der Kirche die Ureinwohner Kanadas um Verzeihung für das himmelschreiende Unrecht, das sie in katholischen Einrichtungen erlitten hatten, und versuchte Gesetze zu reformieren und Strukturen zu schaffen, die den Missbrauch eindämmen oder ihm vorbeugen. Er war ein großer Marienverehrer und ein begeisterter Fußballfan. Für mich war er einfach ein liebenswerter Mensch, den ich sehr vermissen werde. Wobei ich auch weiß, dass ihn manche abgelehnt, ja gehasst haben, weil er ihren Vorstellungen von einem Papst absolut nicht entsprach.

Lj: Sie haben ihn ja auch mal treffen dürfen?
Helm: Dreimal durfte ich ihm die Hand schütteln. Einmal nach der Übertragung des Segens „Orbi et Orbi“ zu Ostern in Rom, wo ich Kommentator des ORF war, und wo der Papst den Medienleuten im Anschluss an die Feier persönlich Frohe Ostern wünschte. Damals und auch die beiden anderen Male, bei Audienzen für die Teilnehmer unseres Generalkapitels, war ich beeindruckt davon, wie er sich für jede Person Zeit genommen hat, sein Gegenüber aufmerksam und interessiert angeschaut hat und ganz präsent war.
Letztes Jahr bei der Audienz war er schon sehr gebrechlich, er bewegte sich mühsam fort an einem Stock, sichtlich unter großen Schmerzen. Aber bei seiner Rede für uns Steyler Missionare wich er auf einmal spontan vom Redemanuskript ab, als es um das interkulturelle Zusammenleben ging. Es ging im Text um Konflikte, die dabei entstehen. Da fügte er hinzu: „Haben sie keine Angst vor Konflikten! Haben Sie keine Angst vor den Verwirrungen der heutigen Kultur. Der Geist kann dort eintreten.“ Diese positive, immer auf Gottes Wirken hoffende Haltung, hat ihn ausgemacht. Sie ist mir eine bleibende Inspiration für mein Leben.


Pater Vijay Kumar Tirkey SVD aus Indien, arbeitet in München als Seelsorger im Stadtteil Fürstenried. Der 28. Juni 2024 ist ein unvergesslicher Tag seines Lebens. Als Teilnehmer des SVD 19. Generalkapitels hatte er während einer Privataudienz mit anderen Steylern die außergewöhnliche Gelegenheit, Papst Franziskus zu begegnen.  

„Da er gesundheitlich angeschlagen war, dachte ich, dass er mit einem Rollstuhl gebracht würde. Nein, er kam mit eigener Kraft an einem Stock. "Das ist typisch Franziskus", war mein Gedanke.

Die Atmosphäre war von tiefer Spiritualität und Wärme geprägt. Als ich dem Papst die Hand geben durfte, sagte ich auf Deutsch: "Grüß Gott, Papa Franziskus! Grüße aus München. Ich bin dort Pfarrer."

Dann wollte ich schon gehen. Er holte mich kurz zurück und mit einem strahlenden Lächeln sagte er mit einer bescheidenen Geste: "Bete für mich." Diese Worte trafen mich tief und erinnerten mich an die Bedeutung des Gebets und der spirituellen Verbundenheit.

Der kurze Handschlag des Papstes war fest und herzlich, und ich spürte eine tiefe Verbindung zu ihm. Die Begegnung war kurz, aber intensiv und ließ mich mit einem Gefühl der Dankbarkeit und Inspiration zurück. Papst Franziskus' Bitte, für ihn zu beten, erinnerte mich daran, dass selbst die höchsten geistlichen Würdenträger auf die Unterstützung und das Gebet anderer angewiesen sind. Fast jeden, der bei ihm war, bat Franziskus um ein Gebet.

Diese Begegnung mit ihm wird mir für immer in Erinnerung bleiben. Ich fühle mich beschenkt, ihm begegnet zu sein.

Grazie mille, Papa Francesco! Riposa in pace.“


Marcelo E. Cattáneo SVD, Provinzial der Provinz „Argentinien Süd“ über seine Begegnungen mit dem Papst

„Ich hatte drei konkrete Begegnungen mit Papst Franziskus, von denen ich gerne berichte.

Die erste war im August 2011 während des ersten nationalen Kongresses zur urbanen Evangelisierung. Es war seine Initiative als Erzbischof von Buenos Aires, diesen einzuberufen. Ich erinnere mich, wie er den Saal des Kongresses betrat und in seiner schwarzen Soutane in der letzten Reihe Platz nahm. Da ich gerade von meiner Mission auf den Philippinen zurückgekehrt war, wollte ich ihn treffen. Während der Pause sprach ich ihn also an und stellte mich vor. Seine Reaktion war nichts Besonderes. Später wurde er gebeten, der Versammlung seinen Beitrag mitzuteilen, und in diesem Moment erkannte ich die Bedeutung der Veranstaltung, die wir feierten. Er sprach wie ein Seelsorger und zeigte sich als ein Jünger, der mit anderen gehen muss, um zu lernen, wie man Jesus nachfolgt.

Eine zweite Gelegenheit war während des Generalkapitels unserer Missionskongregation im Juli 2018. Wir gingen als Gruppe zu einer Privataudienz im Apostolischen Palast im Vatikan. Zunächst war seine Ansprache an uns wiederum die eines Bruders und einer Führungspersönlichkeit, wobei er die Notwendigkeit betonte, unser Vertrauen in Gott und unsere brüderliche Jüngerschaft zu pflegen. Zweitens sein Zeugnis der Brüderlichkeit, indem er den Kuss des Ringes änderte und sich vor uns verneigte, um uns die Hände zu schütteln, als wir unsere Namen und Nationalitäten nannten. Es war offensichtlich, dass seine menschliche Art in der Lage war, eine sehr protokollarische Atmosphäre in eine gemeinschaftliche Begegnung zu verwandeln.

Sehr ähnlich war die Erfahrung, ihm während des folgenden Generalkapitels im Juni 2024 zu begegnen. Er ermutigte uns unter anderem, Propheten des Dialogs und des Friedens zu sein. Worte, die aus seinem persönlichen Zeugnis während seines Pontifikats hervorgingen, insbesondere durch die Einberufung der Synode über die Synodalität, die zu einem neuen Pfingsten für unsere Kirche wurde.“


José Luis Corral Peláez SVD ist nicht nur Steyler, sondern auch der Bischof von Añatuya, im Norden Argentiniens. Hier reflektiert er über den Abschied von Papst Franziskus

„Wir sind von einer Nachricht überrascht worden, die schwer zu verarbeiten ist: Papst Franziskus ist in das Haus des Vaters zurückgekehrt. Sein letzter Gruß vom Balkon des Petersdoms, demselben Balkon, von dem aus er sich vor zwölf Jahren zum ersten Mal als „Bischof von Rom“ vorgestellt hat, hallt noch in uns nach. Am Ostersonntag wünschte er uns allen mit schwacher Stimme und müdem Körper ein frohes Osterfest und erteilte uns seinen letzten Segen.

Während seines gesamten Pontifikats hat Franziskus uns immer wieder überrascht: durch seine Worte, durch seine sehr menschlichen Gesten, durch seine oft mutigen Entscheidungen. Auch sein Tod hat uns überrascht. Viele von uns hatten die Hoffnung, dass er sich, wenn auch langsam, erholen würde. Doch nun, inmitten dieser Trauer, richten wir unseren Blick auf den auferstandenen Christus. In unseren Kirchen brennt seit der Vigil die Osterkerze und erinnert uns daran, dass das letzte Wort nicht der Tod, sondern das Leben ist. Und das würde er sicher auch wollen: dass wir uns nicht auf seine Gestalt konzentrieren, sondern auf den auferstandenen Christus, auf diesen Christus, der alle Finsternis überwindet. Mögen wir die Worte in uns nachklingen lassen, die wir so oft von seinen Lippen gehört haben: „Fürchtet euch nicht. Freut euch. Meinen Frieden lasse ich euch."

Franziskus lehrte uns, offen für die Überraschungen Gottes zu leben. Er lud uns ein, in der Hoffnung zu gehen, mit einem Glauben, der bei jedem Schritt erneuert wird, auch inmitten von Ungewissheiten. Er hat uns als Motto für dieses Heilige Jahr 2025 einen Satz hinterlassen, der ihn ganz und gar beschreibt: „Pilger der Hoffnung“. So hat er gelebt. Als Pilger. Immer auf dem Weg. Immer auf der Suche nach dem Antlitz des Herrn und der vollen Gemeinschaft in der ewigen Liebe.

In tiefer Dankbarkeit bitten wir heute den Guten Hirten, ihn in seine ewige Umarmung aufzunehmen, ihn für seine Hingabe, seinen Dienst, sein Herz voller Mitgefühl zu belohnen. Möge er wie Petrus sagen können: „Herr, du weißt alles, du weißt, dass ich dich liebe“. Mögen sich die Pforten des Reiches Gottes öffnen, und möge er von den Lippen dessen hören, der ihn von Jugend an mit Barmherzigkeit anschaute und ihn in seine Nachfolge rief: „Tritt ein, guter und treuer Knecht, und nimm teil an der Freude deines Herrn“.

Franziskus wollte, dass die Kirche ein Haus mit offenen Türen ist. Er wollte, dass wir aufhören, nur nach innen zu schauen, und dass wir ermutigt werden, nach außen zu gehen, um alle zu umarmen, besonders die am meisten Vergessenen. Er träumte von einer Kirche, in der sich niemand ausgeschlossen fühlt, in der jeder Mensch als Bruder oder Schwester und nicht als Fremder behandelt wird. Er half uns, den Stil des Kircheseins zu verinnerlichen, der von Nähe, Barmherzigkeit und Zärtlichkeit geprägt ist. Er hat uns ermutigt, keine Angst vor Berührungen mit der Realität zu haben, insbesondere vor dem Leiden der anderen.

Heute erkennt die Welt in ihm eine große geistliche Führungspersönlichkeit, die auf die tiefsten Wunden der Menschheit achtet, die es versteht, ihre Stimme für Gerechtigkeit und Würde zu erheben und die Letzten und Ausgestoßenen in den Mittelpunkt zu stellen. Er war ein geistlicher Führer derer, die sich nicht aufdrängen, sondern inspirieren. Die nicht schreien, sondern sich Gehör verschaffen.

In der Kirche war er ein älterer Bruder, Vater und Seelsorger, der in der Liebe und im Glauben den Vorsitz führte und uns daran erinnerte, dass das Zentrum Jesus Christus und sein Evangelium ist. Sein ständiger Ruf war es, eine missionarische Kirche zu sein, die hinausgeht und alle menschlichen Realitäten erreicht, um die Gegenwart Christi, der das Leben in Fülle schenkt, zu bringen.

Er war auch ein zutiefst spiritueller Mann, der fähig war, inmitten der komplexen Zeiten, in denen wir leben, den Willen Gottes zu erkennen und uns dabei zu helfen, glaubwürdige Zeugen der Barmherzigkeit Gottes zu sein. Er wurde nicht immer verstanden oder akzeptiert; er brachte Menschen in Verlegenheit, forderte sie heraus und erschütterte Strukturen und Mentalitäten. Aber er tat dies mit Geduld, mit Demut und mit einer Kraft, die nur aus dem Gebet kommen kann. Er hat sich immer um die Einheit der Kirche gekümmert, weil er wusste, dass sie größer ist als jeder Konflikt oder jede Spaltung, aber auch zerbrechlich und auf Hirten angewiesen ist, die das Herz eines Vaters haben, dem Spaltungen und Brüche wehtun.

Seine jüngste Enzyklika, die dem Heiligsten Herzen Jesu gewidmet ist, ist eine schöne Synthese seines Lehramtes, in der das Menschliche und das Göttliche zusammenkommen. Darin lädt er uns ein, gemeinsam auf eine gerechtere und brüderlichere Welt zuzugehen, in der die Nächstenliebe in konkrete Zeichen der Hoffnung umgesetzt wird. Ein Herz, das im Rhythmus des Evangeliums schlägt.

Wir bitten den ewigen Hirten, Papst Franziskus zu gewähren, sein Antlitz zu betrachten, aus seinen Händen alle Früchte, Mühen und Freuden seines Dienstes zu empfangen, sein Schweigen, sein Lächeln, seine Hingabe. Und nun möge er vom Himmel aus weiterhin für diese Kirche, die er so sehr geliebt hat, Fürsprache einlegen.

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